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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition)
Autoren: Edwin Klein
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sich seine Gesichtszüge kaum veränderten. Er kannte das von vielen Untersuchungsgefangenen.
    »Gautulin, setzen.«
    »Jawohl, Genosse Major.«
    Alexander, der sich ganz versunken mit der Zigarette beschäftigte, registrierte erst jetzt die auf dem Tisch aufgebaute Apparatur. Der Major schaltete ein voluminöses Tonband ein, und Alexander, der gerade inhalieren wollte, erstarrte. Er erkannte seine Stimme, dann die von Hellen, die zärtliche Worte flüsterte. Anschließend eindeutige Geräusche, jedes war eine schmerzliche Erinnerung und drang ihm überlaut bis ins Gehirn: das Quietschen des Bettes, ihr Stöhnen, der keuchende Atem. Zwischendurch vernahm er deutlich Hellens aufpeitschende Worte, sie begann zu schreien, er stammelte unverständliches Zeug, mal russisch, mal deutsch. Dann Ruhe, gleichmäßiges Atmen. Wenig später sagten sie sich liebevolle Dinge und kicherten. Alexander kam sich entblößt und entwürdigt vor, er schluckte und schloss die Augen, Tranen liefen ihm über die Wangen.
    »Er hat es mit einer Deutschen getrieben«, hörte Alexander den Wachposten hinter sich geifern.
    Noch bevor er antworten konnte, sagte der Major mit schneidender Stimme: »Genosse Beljukin, ich führe das Verhör.«
    Stiefelabsätze knallten aneinander. »Jawohl, Genosse Major.«
    Das Tonband war zu Ende, Stille im Büro des KGB-Offiziers.
    »Geben Sie zu, mit der Deutschen geschlafen zu haben?«
    Alexander wischte sich mit einem Handrücken über das Gesicht.
    »Jawohl, Genosse Major. Ich gebe zu, Hellen Birringer zu lieben.«
    Der Stock, genau zwischen die Schulterblätter gerammt, nahm ihm die Luft.
    »Nur, was Sie gefragt sind, Gautulin«, zischte der Wachposten, der sich an dem wehrlosen Gefangenen für die Zurechtweisung des Majors rächte.
    »Lassen Sie das, Beljukin. Warten Sie draußen.«
    Als der Angesprochene nicht reagierte: »Haben Sie nicht gehört?«
    »Jawohl, Genosse Major«, schnarrte Beljukin, salutierte, verließ den Raum und schlug die Tür hinter sich zu.
    »Gautulin, Sie geben also zu, sexuelle Beziehungen zum imperialistischen Westen gehabt zu haben.«
    Alexander hätte am liebsten laut gelacht, denn wie konnte man sexuelle Beziehungen zum imperialistischen Westen haben.
    »Jawohl, Genosse Major.«
    »Und damit haben Sie sich in die Hände konterrevolutionärer Agenten begeben.«
    »Nein, Genosse Major.«
    »Die zweihundert Dollar, war das Ihr erster Lohn?«
    »Nein, Genosse Major. Ich weiß nicht, wie sie in meine Tasche gekommen sind.«
    Selmikow erhob sich und stellte sich an das vergitterte Fenster. Eine Weile schaute er hinunter in den Hof.
    »Ich gehe davon aus, dass Sie bisher noch keine Aufträge zu erfüllen hatten, Gautulin.«
    »Jawohl, Genosse Major.«
    »Man hat Sie also erst frisch angeworben.«
    »Nein, Genosse Major.«
    »Und das Geld?«
    Weil kein Stock hinter ihm war, schwieg Alexander.
    Der Major kam um den Schreibtisch herum und schaltete das Tonband wieder ein. Selmikow nahm einige Blätter zu Hilfe, die Übersetzung ins Russische.
    Alexander konnte die erste Unterhaltung mitverfolgen, die er mit Hellen am Abend nach dem Besuch des Zirkus in der Bar des Hotels geführt hatte. Mit einem Mal wurde ihm klar: Das ganze National
    war eine einzige Abhöreinrichtung. Also stimmten die Gerüchte doch, die behaupteten, alle Hotels, in denen westliche Besucher verkehrten, würden rund um die Uhr mit Mikrophonen und versteckten Kameras observiert.
    »Wie kommt es dass Sie so gut Deutsch sprechen?«
    »Ich bin in Omsk auf eine Schule gegangen.«
    »Aber man sagte mir, Ihre Aussprache sei perfekt.«
    »Außerdem stamme ich aus der Nähe von Saratow, wo die meisten Wolgadeutschen herkommen.«
    »Aber Sie mussten ... umziehen.«
    »Wir sind 1941 vertrieben worden.«
    Der Major verzog «las Gesicht, als hörte er das gar nicht gern. »In Ihrer Familie ist Deutsch gesprochen worden?« »Ja, ständig.«
    »Aha.« Der Major wippte auf den Zehenspitzen. »Ich hoffe, der Staatsanwalt wird Milde walten lassen, Gautulin.«
    »Der Staatsanwalt?« Alexander schaute zu dem drahtigen Mann auf. »Was ist mit dem Staatsanwalt?«
    »Nun, er wird Anklage gegen Sie erheben.«
    »Weswegen?« Alexander vergaß »Jawohl, Genosse Major« zu sagen.
    »Agententätigkeit für eine verfeindete westliche Nation, Besitz von westlichen Devisen, Widerstand gegen die Staatsgewalt, subversive Tätigkeit.«
    »Widerstand gegen die Staatsgewalt?«
    Der Major griff hinter sich und schob Alexander ein Blatt Papier zu, auf dem
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