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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Rebecca Gablé
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wusste das genau. Die Frauen ließen sich viel lieber von Crispin bedienen, der ihnen schmeichelte und interessante Neuigkeiten erzählte, oder von Rupert, der jede Kundin wie eine Königin behandelte.Jonah hatte so oft versucht, sich zu ändern – er wusste, sein Ruf als Finsterling schadete dem Geschäft. Aber ganz gleich, was er tat und wie sehr er sich bemühte, der Ruf haftete ihm an wie ein Fluch. Rupert Hillock freilich nahm es gelassen. Er hatte beobachtet, dass die Schneider, die seine kaufkräftigsten Kunden waren, am liebsten mit Jonah verhandelten, denn sie schätzten seine Kompetenz und nüchterne Geschäftsmäßigkeit, die ihnen Zeit ersparten. Und die ganz jungen Frauen aus dem Viertel kamen auch gern zu ihm, ganz gleich, wie frisch verheiratet sie waren. Rupert neidete Jonah seinen Erfolg bei den jungen Dingern und hielt ihm regelmäßig vor, er werfe ihnen unschickliche Blicke zu und verdrehe ihnen die Köpfe. Jonah reagierte ebenso regelmäßig mit Unverständnis, denn er merkte nicht einmal, wie sie ihn ansahen. Doch alles in allem war es Rupert schon ganz recht so, wie es war. Auf seine Art war Jonah mit seiner kühlen Unnahbarkeit dem Geschäft ebenso zuträglich wie Crispins Leutseligkeit.
    »Wie ich sehe, interessiert Ihr Euch für das neue Kammgarn aus Salisbury? Das ist gut gewählt, Mistress«, bemerkte Jonah.
    Ein wenig gehetzt sah sie auf, suchte nach einer Möglichkeit, das Thema zu wechseln, und entdeckte den Bluterguss unter seinem Auge. »Du meine Güte, wie schaust du wieder aus.«
    Er winkte ab. »Ihr solltet den anderen Kerl sehen.«
    Aber sie ließ sich nichts weismachen. »Was stellst du nur immer an, dass dein Vetter dich ständig so zurichtet?«
    Jonah spürte, wie seine Miene gefror. Er wollte lächeln, irgendeine Bemerkung machen, die ihn aus dieser Situation erlöste, aber er konnte nicht. Er war wie erstarrt.
    Mistress Thorpe sah ihn noch einen Moment an und wusste plötzlich wieder, warum sie diesen jungen Mann so unheimlich fand. Sie räusperte sich und befingerte verlegen das grüne Tuch. »Also, ich weiß wirklich nicht … es ist zu teuer.«
    »Fühlt es noch einmal, Mistress«, schlug Jonah vor. »Fühlt nur, wie glatt und gleichmäßig gewebt es ist.« Er ließ der Kundin ein paar Atemzüge Zeit, die feine Wolle zu betasten, dann hob er den schweren Ballen ohne erkennbare Mühe auf undtrug ihn zur Tür. »Hier, Ihr solltet es bei Tageslicht betrachten. Seht Ihr, wie es fällt? Ganz glatt. Es schimmert beinah. Es ist gleichmäßiger gewalkt als die meisten anderen Tuche, denn die Walkmühlen in Salisbury sind nun einmal die besten. Und schaut nur, wie satt die Farbe ist. Es ist eben Salisbury Green , Mistress, und Qualität hat ihren Preis. Aber das Kleid wird Mildred noch mit Freude zur Taufe ihres Enkels tragen. Websters grünes Tuch hingegen ist mit Birkenblättern gefärbt und wäre schon vor ihrer Hochzeit ausgebleicht. Glaubt mir, es ist, als wolltet Ihr Äpfel mit Pflaumen vergleichen.«
    Mistress Thorpe war sichtlich ins Wanken geraten. Selbst im grauen Novemberlicht schillerte das satte Grün der feinen Wolle. Noch einmal streckte sie ihre fette Hand aus und strich mit den Fingern über die glatte Oberfläche und die leicht angeraute Unterseite.
    »Hm. Na ja. Ich sehe, was du meinst. Aber zwei Shilling … Was hältst du von einem Shilling und Sixpence, mein Junge?«
    Jonah spielte seinen letzten Trumpf aus: »Dieses Tuch liegt eine Elle breiter als Websters aus Lincoln, Mistress. Das heißt, Ihr kommt vermutlich mit drei Yards für das neue Kleid aus statt vier. Damit habt Ihr den halben Shilling pro Yard wieder eingespart.«
    Mistress Thorpe rechnete einen Moment. Dann erstrahlte ihr feistes Gesicht. »Du hast vollkommen Recht, Jonah.« Sie öffnete ihren bestickten Beutel und zählte sechs Shilling ab. »Es ist im Grunde nicht zu viel für ein Verlobungskleid«, murmelte sie.
    Jonah neigte zustimmend den Kopf.
    »Und sie wird hinreißend darin aussehen«, versicherte Crispin. »Ich messe es ab und bringe es Euch heute Nachmittag vorbei.«
    Sie belohnte ihn mit einem strahlenden Lächeln. »Das ist sehr zuvorkommend, mein Junge. Und ich werde nicht böse sein, wenn du mir einen Fuß Länge dazugibst. Du weißt schon, der Verschnitt …«
    Crispin zwinkerte ihr zu. »Darüber lässt sich reden.« Er hielt ihr die Tür auf. »Guten Tag und guten Weg, Mistress.«
    Mit einem huldvollen Nicken in Jonahs Richtung schwebte Mistress Thorpe aus dem Laden.
    Crispin
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