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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot
Autoren: T.H. White
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lassen, du Hasenherz«,
sagte Kay. »Er möcht’ bloß ein bißchen getragen werden, sonst nichts.«
    So gingen sie denn übers Heufeld, wo das sorgfältig
zusammengeharkte Gras wieder naß geworden war und an Qualität verlor, ins
Jagdrevier hinaus, das anfangs spärlich mit Bäumen bewachsen war, parkähnlich,
allmählich jedoch in dichten Wald überging. Unter diesen Bäumen waren Hunderte
von Kaninchenhöhlen, und zwar eine neben der anderen, so daß es nicht darum
ging, ein Karnickel zu finden, sondern eines, das weit genug von seinem Loch
entfernt war.
    »Hob sagt, wir dürften Cully nicht fliegen lassen,
bis er nicht mindestens zweimal aufgejagt hat«, sagte Wart.
    »Hob hat keine Ahnung. Niemand kann sagen, ob ein
Habicht flugfähig ist – außer dem Mann, der ihn trägt.«
    »Hob ist ja sowieso bloß ein Leibeigner«, fügte
Wart hinzu und löste die Leine und den Haken vom Geschirr. Als Cully merkte,
daß ihm die Fesseln abgenommen wurden, so daß er jagdbereit war, machte er
einige Bewegungen, als wolle er auffliegen. Er sträubte den Schopf, die
Schwungfedern und das weiche Schenkelgefieder. Im letzten Augenblick indes besann
er sich eines anderen und unterließ das Rütteln. Als Wart die Bewegungen des
Habichts sah, hätte er ihn nur allzugerne abgetragen. Am liebsten hätte er ihn
Kay fortgenommen und selber vorbereitet. Er war sicher, Cully in die rechte
Laune versetzen zu können, indem er ihm die Fänge kraulte und das Brustgefieder
spielerisch und sanft nach oben strich. Wenn er’s doch nur alleine machen
könnte, statt mit diesem dämlichen Köder hinterdrein stapfen zu müssen. Aber
er wußte, wie lästig es dem älteren Jungen sein mußte, ständig mit Ratschlägen
geplagt zu werden, und deshalb schwieg er. Wie man heutzutage beim Schießen nie
den Mann kritisieren darf, der das Kommando hat, so war’s bei der Beiz sehr
wichtig, daß kein Rat von außen den Falkonier irritierte.
    »So-ho!« rief Kay und reckte seinen Arm empor, um
dem Habicht einen besseren Start zu geben. Vor ihnen hoppelte ein Kaninchen
über den abgenagten Rasen, und Cully war in der Luft. Die Bewegung kam für alle
drei überraschend: für Wart und für das Kaninchen und für den Habicht, und alle
drei waren einen Augenblick lang verblüfft. Dann begann der fliegende Mörder
mit den mächtigen Schwingen zu rudern, doch zögernd und unentschlossen. Das
Kaninchen verschwand in einem unsichtbaren Loch. Der Habicht stieg auf, schwebte
wie ein Kind auf der Schaukel hoch in der Luft, legte dann die Flügel an und
stieß nieder und hockte in einem Baum. Cully blickte auf seine Herren herab,
öffnete ob seines Versagens mürrisch den Schnabel und verharrte reglos. Die
beiden Herzen standen still.
     
     
     
     
    KAPITEL 2
     
     
    Eine geraume Weile später,
als sie den verstörten und verdrossenen Habicht genug gelockt und
herbeigepfiffen hatten und ihm von Baum zu Baum gefolgt waren, verlor Kay die
Geduld.
    »Laß ihn sausen«, sagte er. »Der taugt sowieso nichts.«
    »Aber wir können ihn doch nicht so einfach
dalassen!« sagte Wart. »Was wird denn Hob dazu sagen?«
    »Es ist mein Habicht, nicht Hob seiner«, rief Kay
wütend. »Wen interessiert’s, was Hob sagt? Hob ist ja nur ein Bediensteter.«
    »Aber Hob hat ihn abgerichtet. Wir können ihn
getrost verlieren, weil wir nicht drei Nächte lang mit ihm aufbleiben mußten,
ihn nicht tagelang abgetragen haben und all das. Aber Hobs Habicht dürfen wir
nicht verlieren. Das wäre gemein.«
    »Geschieht ihm recht. Hob ist ein armer Irrer, und
Cully ist ein versauter Beizvogel. Wer will so einen versauten dämlichen
Habicht? Wenn dir so viel daran liegt, dann bleib ruhig hier. Ich geh’ heim.«
    »Ich bleibe hier«, sagte Wart traurig, »wenn du Hob
herschickst, sobald du zu Hause bist.«
    Kay marschierte in der falschen Richtung los, vor
Wut bebend, weil er genau wußte, daß er den Vogel zur Unzeit hatte fliegen
lassen, und Wart mußte ihm nachrufen und ihn auf den rechten Weg weisen. Dann
setzte Wart sich unter den Baum und blickte zu Cully hinauf wie eine Katze, die
einen Spatzen beobachtet, und sein Herz klopfte heftig.
    Für Kay spielte es ja vielleicht keine Rolle, denn
der machte sich aus der Falknerei nur insofern etwas, als es die angemessene
Beschäftigung für einen Jungen seines Alters und Herkommens war; doch Wart
empfand wie ein richtiger Falkner und wußte, daß ein verlorener Beizvogel die
denkbar größte Kalamität war. Er wußte, daß Hob vierzehn Stunden
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