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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot
Autoren: T.H. White
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Zauberstab aus lignum vitae, der neben
ihm im Gras lag, und eine Hornbrille wie König Pelliner. Es war eine
ungewöhnliche Brille.
     
    Aber was ist Merlin uns Menschen des 20.
Jahrhunderts? Er könnte für uns sein: Name und Symbol für »fantasy«. Aber was
ist dann »fantasy«?
     
    Es gibt eine Art des Schreibens, bei der
der Autor ganz und gar den Blick von der Natur abwendet und seines Lesers
Einbildungskraft durch Charaktere und Handlungen solcher Personen unterhält,
die nie existiert haben. Es sind diese Feen, Hexen, Zauberer, Dämonen und die
Geister der Verstorbenen. Dies nennt Mr. Dryden »the fairy way of writing«, der
viel schwieriger ist als andere Arten, bei denen die Einbildungskraft des
Dichters ins Spiel kommt, denn es gibt da keine Muster, denen erfolgen kann und
er muß sich alles selbst ausdenken.
    Joseph Addison, On the
Pleasures of the Imagination
    Es mag dahingestellt bleiben, ob Addison
mit seiner Feststellung recht hat, fantasy-Literatur sei schwieriger zu
schreiben als andere Bücher.
    Gewiß aber können seine Sätze als erstes
Vortasten zu einer Definition von fantasy-Literatur aufgefaßt werden. Tolkien
hat in seinem Vortrag »On Fairy Stories« genauer eingekreist, um was es da
geht:
     
    Feengeschichten waren einfach vorrangig
nicht mit dem Möglichen, sondern mit dem Wünschenswerten beschäftigt. Wenn sie
so einen Wunsch erwecken… ist dies ein komplexer Wunsch mit vielen Zutaten, von
denen manche universal, andere besonders dem modernen Menschen zu eigen sind. Zu jenen universalen, also immer
vorhandenen Wünschen, rechnet er: mit anderen Lebewesen in Verbindung zu
treten… auszuloten die Tiefe von Raum und Zeit… einzutauchen in alte Sprachen,
archaische Lebensformen und vor allem in Wälder.
    Was aber, so fragt Tolkien dann weiter,
sind die Werte und die Funktionen von fantasy heute? Pauschal gesprochen
zunächst einmal: die Überwindung einer imaginativen Armut.
    Er ist entschieden von der Überlegenheit der
Imagination gegenüber der Perzeption überzeugt. Mit dem Mangel an
Imagination hängt es seiner Meinung nach auch zusammen, daß wir lange die
Natur als unseren Sklaven angesehen haben, während sie doch immer noch unser
stiller Herr ist.
    Flucht ist nach Tolkien eine zweite wesentliche Funktion von
fantasy, wobei er sogleich hinzusetzt, daß es sich nicht um die Flucht eines
Deserteurs handelt, sondern um das Entkommen eines Gefangenen. Zu
dieser Art von Flucht veranlassen den modernen Menschen Zorn und Empörung über
das Zeitalter der Roboter, die Häßlichkeit seiner Arbeit und das Böse in seiner
Kultur.
    Fantasy stelle eine gesunde, Heilung
bringende Fluchtmöglichkeit dar.
    Viel zu viel von unserem Leben und unserer
Kunst, so klagt Tolkien, spielt
sich unter dem Glasdach am Rand des städtischen Hallenbads ab. Wir haben
vergessen, was Himmel und See wirklich sind. Flucht bei ihm bedeutet
eine Erholung. Wiedergesundung. Einen dritten Aspekt von fantasy sieht Tolkien
schließlich in der Bestärkung, dem Trost durch das Glückliche Ende. Er
gehöre zur fantasy wie die Läuterung zur Tragödie. Diese Kategorie, so führt
Tolkien weiter aus, lasse sich schwer definitorisch fassen. Er spricht von einem
Aufblitzen von Freude, von einem Inberührungkommen mit einer tieferen
Art von Realität, von etwas, das einer religiösen Erfahrung ziemlich nahe
komme.
    Es mag dem einzelnen überlassen bleiben,
herauszufinden, welche der drei Kategorien bei seiner Freude über fantasy eine
Rolle spielten oder ob es vielleicht noch andere Aspekte gibt, die Tolkien
übersehen hat. Was aber ist mit Merlin? Ich glaube nun, daß die moderne
Faszination der Merlin-Gestalt eben darin liegt, daß Merlin mit der Aura des
Verlangens nach fantasy umgeben ist. Er geht aus der Welt der Menschen fort in
den Wald, um sein Bewußtsein in Ordnung zu bringen, um mit den Verletzungen
fertig zu werden, die die Schreckensbilder vom Menschen, der des Menschen Feind
ist, in ihm zurückgelassen haben. Seine Imagination erweist sich der Perzeption
überlegen. Aus einer solchen Haltung heraus, die die Angepaßten als Zauberei
mißverstehen, gelingt es ihm herbeizuführen, was nicht möglich scheint, aber
wünschenswert ist. So weit, so gut.
     
    T. H. White, ein Zeitgenosse Tolkiens,
setzt fantasy gewissermaßen einem äußersten Belastungstest aus, indem er das Problem der
menschlichen Aggression in einer fantasy-Geschichte thematisiert.
    Das Ergebnis ist alles andere als eine
patente Formel. Interpretierend
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