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Der Knochenmönch

Der Knochenmönch

Titel: Der Knochenmönch
Autoren: Jason Dark
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schöpfen.
    Driscoll gehörte zu den Menschen, die viel und oft nachdenken mußten.
    Seine Arbeit war hart. Er beschäftigte sich nicht mit Materialien, sondern mit Menschen, und die mußten anders behandelt werden als Eisen, Holz oder Kunststoff.
    Er war der Priester für unten. Derjenige, der sich dorthin wagte, wo andere nicht hingingen. Genau dahin, wo die Amtskirche mit ihren starren Dogmen nicht verstanden wurde. Priester der Befreiung, wie es sie in Südamerika gab, waren sein Vorbild. Aus diesem Grunde hatte er seine Schwierigkeiten mit der Amtskirche, nur gab ihm sein Orden die Freiheit, so zu wirken, wie er es für richtig hielt.
    Driscoll hatte Erfolg aufzuweisen. Manchmal war es für ihn wie ein Wunder gewesen, wenn er zuschauen konnte, wie junge Menschen es dank seiner Initiative noch einmal versuchten und ihr Leben nicht weiterhin etappenweise wegwarfen, durch Mißachtung anderer Menschenleben oder durch die Einnahme von Drogen.
    Da arbeitete er unermüdlich. Er war bekannt, er wurde akzeptiert, aber er hatte auch Feinde. So hatte man schon versucht, ihn auszuschalten, doch es waren die Helfer der Drogenbosse gewesen, die den kürzeren gezogen hatten.
    Es war ein Kampf unter Zeugen gewesen. Drei gegen einen. Driscoll hatte gesiegt. Wäre er ein Killer gewesen, hätte er die Hundesöhne sogar töten können. Er hatte es nicht getan und ihnen nur zu einem Krankenhausaufenthalt verholfen. Damit hatte er ein paar minderjährige Mädchen, die von den Typen auf den Strich geschickt werden sollten, vor einem Leben im Elend bewahrt.
    Probleme gab es für ihn genug, im kleinen wie auch im großen, wobei die großen in letzter Zeit überwogen, denn er war einer Sache auf die Spur gekommen, über die er kaum reden konnte, und wenn, dann nur mit Menschen, die sein absolutes Vertrauen genossen.
    Mit einem hatte er gesprochen. Einem Mann, der zur anderen Seite gehört hatte, allerdings ausgestiegen war und sich an einen Menschen wenden wollte, dem er völlig vertraute.
    Leider wußte Driscoll zu wenig, aber bereits so viel, daß man auf ihn aufmerksam geworden war.
    Er wurde verfolgt.
    Sie – wer immer sie auch waren – hatten ihre Spione überall. Er sah sie nicht, aber sie hielten ihn unter Kontrolle, denn Wissen bedeutete Macht.
    Und Wissen bei einem falschen Menschen konnte auf keinen Fall von der anderen Seite akzeptiert werden.
    Wenn das stimmte, was ihm flüsternd und unter dem Siegel der Verschwiegenheit in einem Beichtstuhl mitgeteilt worden war, stand die Kirche vor einem wahnsinnigen Einbruch. Dann hatten es wirklich andere Mächte geschafft, in den Kern vorzudringen, dann war das Böse schon so weit, daß es kaum noch zu stoppen war. Es würde alles zusammenbrechen. In der Theorie hatte der Eisläufer dies schon viele Male durchgespielt, und gerade an diesem frühen Abend überlegte er hin und her, wie er dieses zerstörende Gewitter stoppen konnte.
    Er wußte es nicht.
    Statt dessen stoppte er.
    Mit einer letzten Drehung dicht an der Bande und dem vorgestreckten Bein kam er zum Stehen. Tief atmete er durch. Die schnellen Fahrten hatten ihn angestrengt, aber nicht erscthöpft. Er schwitzte nur ein wenig, holte ein Tuch aus der Tasche und wischte sich das Gesicht ab.
    Ein kleines Mädchen in bunter Winterkleidung fuhr etwas taumelig auf ihn zu und schaute ihn verwundert an. »Bist du auch gelaufen?«
    »Aber sicher doch.«
    »Kannst du das gut?«
    »Es geht.«
    »Ich lerne noch.«
    Driscoll beugte sich zu der Kleinen hinab. Er streichelte ihre Wange. »Du wirst es schaffen, meine Kleine. Ein paar Tage weiter nur; und du bist hier auf dem Eis eine richtige Prinzessin. Wirklich.« Das Kind strahlte.
    »Meinst du?«
    »Ja, bestimmt.«
    »Du bist ein Pfarrer, nicht?«
    »Sieht man das?«
    Die Kleine mit dem Puppengesicht strahlte und nickte. »Du siehst genau so aus wie Father Klinham.«
    »Ah, du kennst ihn.«
    »Klar, er leitet unsere Gemeinde.«
    »Helen, bitte.« Die Mutter fuhr heran. »Du darfst doch den Mann nicht aufhalten. Sorry, aber meine Tochter ist mir weggefahren.«
    Der Jesuit lächelte. »Ich bitte Sie, Madam, Ihr Kind stört mich doch nicht. Gerade die Kinder sind es doch, die unsere Zukunft garantieren. Man muß mit ihnen reden, und man darf sie nicht zerstören. Weder ihren Körper noch ihre Seele.«
    Die Frau schaute ihn aus großen Augen an. »Danke«, sagte sie dann.
    »Wofür?«
    »Dafür, daß Sie diese Worte gesagt haben. Es tat mir richtig gut, sie zu hören.«
    Er strich Helen
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