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Der kleine Wassermann

Der kleine Wassermann

Titel: Der kleine Wassermann
Autoren: Otfried Preußler
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rechten Zeit dazugekommen, blubb - blubb. Ich werde den kleinen Wassermann auf den Rücken nehmen und heimtragen. Abgemacht? Blubb - blubb."
    „Ist das dein Ernst?", rief der Wassermannvater erleichtert. „Das wäre ja herrlich!"
    „Na, hör mal, du kennst mich doch", sagte Cyprinus, beinahe ein wenig gekränkt. „Wenn ich sage: ,Ich werde den Jungen nach Hause tragen', dann tu ich's. Du wirst ja bestimmt nichts dagegen haben."
    „Nein, ganz im Gegenteil!", sagte der Wassermannvater. „Du tust mir damit einen Riesengefallen ..."

    „Schon gut!", unterbrach ihn Cyprinus. „Man hilft, wo man kann, das ist gar nicht der Rede wert. Sieh lieber zu, dass der Junge sich endlich zurechtsetzt!"
    Da musste der kleine Wassermann aufsitzen und der große Wassermann zeigte ihm, wie er sich festhalten sollte. Dann durfte er auf dem Rücken des Karpfens Cyprinus gemächlich nach Hause reiten.
    „Gefällt es dir?", fragte Cyprinus nach einer Weile.
    „Ja, sehr!", rief der kleine Wassermann hellauf begeistert. „Versprichst du mir, dass du mich wieder mal mitnimmst?"
    „Jawohl, das verspreche ich", sagte der Karpfen.

Das Tier mit den vielen Augen
    So ein Mühlenweiher ist ja nicht besonders groß, aber als kleiner Wassermann kann man trotzdem eine ganze Menge darin erleben. Vor allem, wenn man so neugierig ist und die Nase in alle Winkel hineinstecken muss, unter jeden Stein und in jedes Schlammloch und überall sonst hin.
    Die Wassermannmutter sah es nicht gern, wenn der Vater den kleinen Wassermann ohne Aufsicht im Weiher herumstrolchen ließ. Aber der Wassermann sagte: „Er ist doch ein Junge! Ein Junge muss sich beizeiten daran gewöhnen, dass man nicht immerzu hinter ihm her sein kann. Außerdem habe ich wirklich noch andere Dinge zu tun, als in einem fort unseren Jungen spazieren zu führen."
    Dem kleinen Wassermann war das nur recht. Er streifte am allerliebsten auf eigene Faust durch den Weiher. Tagtäglich war er von früh bis spät unterwegs. Bald kannte er alle Fische und Schnecken und Muscheln mit Namen. Wenn er dem Karpfen Cyprinus begegnete, durfte er immer auf seinem Rücken ein Stück durch das Wasser reiten. Mit den Elritzen spielte er Fangen, die Frösche zupfte er an den langen Beinen. Manchmal haschte er sich zum Spaß ein paar Molche, tat sie in seine rote Zipfelmütze und ließ sie darin eine Weile zappeln.
    Jeden Tag nahm sich der kleine Wassermann einen anderen Winkel des Weihers vor und durchstöberte ihn, ob nicht irgendwo noch ein Tier oder sonst jemand hauste, den er bisher übersehen hatte. So kam er dann auch an die Höhle, in der er das Tier mit den vielen Augen entdeckte.

    Die Höhle war düster. Er dachte zuerst, dass das Tier mit den vielen Augen ein riesiger bleicher Wurm sei. Dann aber sah er die Flossen auf seinem Rücken und daran erkannte er, dass es ein Fisch war. Ein Fisch, der auf beiden Seiten des Körpers in langer Reihe ein kreisrundes Auge hinter dem anderen trug!
    „Was schaust du so?", fragte der Fisch mit den vielen Augen den kleinen Wassermann. „Weißt du nicht, dass ich das Neunauge bin? Wie gefalle ich dir?"
    „Du bist hässlich! Ich fürchte mich!", wollte der kleine Wassermann antworten, aber das tat er dann doch nicht. Er sagte vielmehr: „Also Neunauge heißt du ... ?"
    „Ich weiß, du beneidest mich", sagte das Neunauge. „Gib es nur ruhig zu."
    „Dich beneiden?", fragte der kleine Wassermann sehr verwundert. „Worum denn?"
    „Nun ja, um die vielen Augen! Du hast ja nur zwei, wie ich sehe." Das Neunauge schlängelte sich an den Jungen heran. „Nur zwei Augen! Wie wenig!"
    „Ich bin mit den beiden zufrieden", erklärte der kleine Wassermann. „Sie genügen mir völlig."
    „Wir wollen es hoffen", meinte das Neunauge. - „Aber was ist denn, du willst doch nicht etwa schon wieder davonschwimmen? Bleib doch hier!"
    „Nein, ich habe es eilig", sagte der kleine Wassermann rasch und empfahl sich. Nur fort aus der Höhle! Er hatte genug von dem Fisch mit den vielen Augen, er wollte jetzt schleunigst nach Hause.
    „Ich würde dir gern ein paar Augen abtreten!", rief ihm das Neunauge hämisch nach. „Bis auf zwei sind sie ohnehin blind! Was nützen mir blinde Augen? Ich möchte sie herschenken, hörst du?! Her-schen-ken möchte ich sie!"
    Der kleine Wassermann gab keine Antwort, er hielt sich beim Schwimmen die Ohren zu. Nichts wie nach Hause!
    Und nichts wie den Fisch mit den vielen Augen vergessen! Er sah ihn in seinen Gedanken noch immer vor sich und
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