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Der kleine Wassermann

Der kleine Wassermann

Titel: Der kleine Wassermann
Autoren: Otfried Preußler
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Bis zum späten Abend rührte sie in den Töpfen, schwenkte die Bratpfanne und klapperte mit den Schüsseln. Zwischendurch gab sie dem kleinen Wassermann seinen Brei.
    Siebenundzwanzig Verwandte hatte der Wassermann eingeladen und sechsundzwanzig von ihnen kamen. Es waren zwölf Wassermänner mit ihren Frauen, ein Brunnenmann und das Brückenweib lein von der Sankt-Nepo-muks-Brücke. Der Brunnenmann wohnte im Röhrbrunnen hinter dem Spritzenhaus, er war schon sehr alt und trug einen weißen Bart. Die anderen Wassermänner und ihre Frauen kamen aus dem Dorfteich, aus dem Froschtümpel, aus der Entenpfütze, aus dem Roten und aus dem Schwarzen Flössel, aus dem Forellenwasser, dem Steinbach und noch fünf anderen Bächen.
    „Seid uns gegrüßt!", sagte der Vater des kleinen Wassermanns. „Es ist recht, dass ihr euch alle so pünktlich eingefunden habt! Meine Frau und ich sagen allerseits besten Dank und wir hoffen auch, dass es euch schmecken wird."
    „Willst du uns nicht zuerst deinen kleinen Jungen zeigen?", fragte der Wassermann aus dem Steinbach den Vater des kleinen Wassermanns.
    „Nein", entgegnete der Wassermannvater. „Zuerst einmal wollen wir tafeln, die Hauptsache bleibt für zuletzt."
    Da mussten sich die zwölf Wassermänner mit ihren Frauen, der Brunnenmann und das Brückenweiblein alle an den langen Tisch setzen, den der Mühlenweiherwasser-mann vor seinem Haus für sie aufgestellt hatte, denn in der Wohnstube wäre es viel zu eng gewesen für diese große Gesellschaft. Der Brunnenmann mit dem weißen Bart bekam den Ehrenplatz in der Mitte.

    Die Mutter des kleinen Wassermanns brachte den Gästen zuerst eine Suppe aus Wasserlinsen, dann ein Gericht von gebratenen Fischeiern mit gerösteten Algen. Danach tischte sie einen Salat auf, den sie aus eingelegter Brunnenkresse und klein gehackten Dotterblumenstängeln bereitet hatte. Und wer dann noch immer nicht satt war, für den gab es zum Schluss noch eine ganze Schüssel gedünsteten Froschlaich mit eingesalzenen Wasserflöhen. Ja, ja, es war eben nicht wie bei armen Leuten.
    „Du, sag einmal", fragte der Wassermann aus dem Roten Flössel beim Nachtisch den Wassermann aus dem Mühlenweiher. „Hast du denn deinen Schwager, den Moormann, nicht eingeladen? Der hätte doch auch mit dazugehört -oder nicht?"
    „Ja, was denkst du denn!", sagte der Wassermannvater. „Ich werde doch nicht meinen Schwager, den Moormann, vergessen! Ich habe ihm meine schnellste Forelle als Botin hinaufgeschickt. Weiß der Hecht, weshalb er nicht kommt!"
    „Er wird sich wohl", meinte der Brunnenmann, „auf der weiten Reise ein bisschen verspätet haben. Wie ich ihn kenne, kommt er bestimmt. Das kann er dir gar nicht antun. Aber wie steht es denn, willst du uns nun den kleinen Wassermann zeigen?"
    „Wenn ihr wirklich schon satt seid", sagte der Wassermannvater, „dann hole ich ihn."
    Aber gerade als er ins Haus gehen wollte, um seinen kleinen Jungen zu holen - was war das ? Da wurde es plötzlich so finster im Mühlenweiher, dass man nicht einmal mehr die eigene Hand vor den Augen sah. Und die Wassermannfrauen riefen erschrocken: „Zu Hilfe, was ist denn?"
    „Ach, nichts", gab da jemand mit tiefer Stimme zur Antwort. „Das bin doch nur ich. Guten Tag."
    Und wen sahen sie, als sich die Dunkelheit wieder ver-laufen hatte? - Den Moormann! Der hatte, als er gekommen war, einen tüchtigen Schwapp kaffeebraunen Moorwassers vor sich hergeschwemmt, das war alles.
    „Willkommen bei uns!", rief der Wassermannvater. „Wir dachten schon, dass du ausbleiben würdest. Ich wollte gerade ins Haus gehen und unseren kleinen Jungen herausholen."

    „Hol ihn!", sagte der Moormann. „Inzwischen werde ich rasch eine Kleinigkeit essen."
    Er langte mit seinen braunen Händen auch gleich in die nächste Schüssel - es war die mit Dotterblumenstängel-
    und Brunnenkressesalat und eins, zwei, drei, war sie leer. Dann vertilgte er anderthalb Teller gedünsteten Froschlaich mit eingesalzenen Wasserflöhen und tat sich danach an dem Rest von gebratenen Fischeiern gütlich.
    „Man muss sich dranhalten", sagte er schmatzend. „Das Reisen macht Appetit."
    Und so aß er und aß, bis der Wassermannvater wieder aus dem Hause kam und das Binsenkörbchen mit dem kleinen Jungen getragen brachte. Da ließ der Moormann Teller und Schüsseln stehen, sprang auf und rief so begeistert, dass er sich beinah verschluckt hätte:
    „Donnerwetter, ist das ein Junge!"
    Und alle Wassermänner mit ihren Frauen, der
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