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Der kleine Wassermann

Der kleine Wassermann

Titel: Der kleine Wassermann
Autoren: Otfried Preußler
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Ich wusste ja, dass dir der Junge gefallen wird! Dreh dich mal, Kleiner, damit dich die Mutter von allen Seiten bewundern kann!" - Und er fasste den kleinen Wassermann bei den Schultern und drehte ihn.
    „Schau dir die Mütze an!", rief er der Mutter zu. „Passt sie nicht fein zu den grünen Haaren? Und erst die Stiefel! Ich habe sie eigenhändig zusammengeschustert, sie sind aus dem besten und teuersten Leder gemacht, das ich auftreiben konnte!"
    „Das sieht man auch", meinte die Mutter. „Die Stiefel sind ganz besonders schön."
    „Aber weißt du denn auch, was das Schönste ist?", fragte der kleine Wassermann nun.
    „Was das Schönste ist?", überlegte die Wassermannmutter.
    „Jawohl!", rief der kleine Wassermann strahlend. „Das Schönste ist, dass ich jetzt nicht mehr daheimbleiben muss, dass ich endlich hinausdarf! Ich werde von nun an den ganzen Tag draußen herumschwimmen! - Freust du dich gar nicht darüber?"
    Da sagte die Wassermannmutter: „Schon, schon ... Aber nehmt mir's nicht übel, ich glaube, ich muss in die Küche zurück, sonst brennt mir die Suppe an ..."
    Aber das sagte sie nur, weil sie spürte, dass ihr schon wieder die Tränen kamen, und weil sie den beiden nicht zeigen wollte, wie schwer es ihr wurde, den kleinen Wassermann schon aus dem Haus zu lassen.

Kreuz und quer durch den Mühlenweiher
    Nachdem sie die Morgensuppe gelöffelt hatten, sagte der Wassermannvater feierlich: „So, und nun wollen wir also zum ersten Mal miteinander ausschwimmen. Halt die Augen offen, mein Junge, damit du auch recht viel siehst und damit du der Mutter hinterher alles erzählen kannst. Bist du fertig?"
    Der kleine Wassermann nickte. „Ich kann es schon kaum mehr erwarten!"
    „Na, das verstehe ich", meinte der Wassermannvater. „Aber zuvor musst du noch deiner Mutter Auf Wiedersehen sagen."
    Der kleine Wassermann sagte der Mutter Auf Wiedersehen und die Mutter ermahnte ihn, immer schön brav an der Seite des Vaters zu bleiben.
    Den großen Wassermann aber bat sie: „Tu mir den einen Gefallen, Mann, und vergiss nicht, wie klein unser Junge ist! Denk daran, dass er heute zum ersten Mal ausschwimmt!"
    Dann schwammen der große Wassermann und der kleine zur Haustür hinaus und der kleine Wassermann schwamm an der Seite des großen ein paarmal rund um das Wassermannhaus herum. Und weil ja das Haus auf dem Grund des Mühlenweihers stand, konnten sie auch da-rüber hinwegschwimmen und von oben in den Schornstein hineingucken.
    „Mutter, juhu!", rief der kleine Wassermann durch den Schornstein hinunter. „Hörst du mich? Gleich kommt ein Fisch an dein Küchenfenster geschwommen, gib acht!" Und dann schwamm er selber bis dicht an das Fenster heran, riss seine Augen gewaltig auf, schob die Unterlippe nach vorn, wie die Fische das immer taten, und glotzte die Mutter an, die gerade am Küchentisch stand und Gemüse putzte.
    Da musste die Mutter hell auflachen, aber der Wassermannvater tippte dem kleinen Wassermann auf die Schulter und sagte: „Genug jetzt! Zum Fischspielen hast du morgen auch noch Zeit. Ich denke, wir sollten uns nun auf den Weg machen!"
    Er führte den kleinen Wassermann kreuz und quer durch den ganzen Weiher. Jedem Fisch, den sie trafen, durfte der kleine Wassermann Guten Tag sagen. Er wollte sich auch die Namen der Fische merken. Aber es waren zu viele, er brachte sie bald durcheinander.
    „Das ist mir am Anfang genauso ergangen", sagte der Wassermannvater. „Darüber brauchst du nicht ungeduldig zu werden, das gibt sich in einigen Tagen."
    Aber es lebten ja nicht nur die Fische im Weiher! Da waren die Molche, die Schnecken, die Muscheln und Wür mer, die Käferlarven und Wasserflöhe und allerhand winzige Dingerchen, die man mit bloßem Auge kaum noch erkennen konnte.
    Ojemine!, dachte der kleine Wassermann, ob ich all ihre Namen jemals behalten werde? Ich kann sie ja nicht einmal zählen!

    An manchen Stellen war der Boden dick verschlammt. Wenn die beiden zu niedrig darüber hinwegstrichen, wir belten bräunliche Wolken empor und das Wasser verdüsterte sich. An anderen Stellen lag Kies, der schimmerte ihnen von Weitem entgegen, und wieder an anderen Stellen wuchs Gras. Das war Teichgras. Es wehte in langen Büscheln über den Boden hin und sah aus wie ein Teppich von lauter Wassermannhaaren.
    Am besten gefielen dem kleinen Wassermann aber die Wälder von Nixenkraut und von Teichfäden, Wasserfeder und Tausendblatt, die in der Tiefe des Weihers wucherten.
    „Wag dich nicht hinein,
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