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Der kleine Wassermann

Der kleine Wassermann

Titel: Der kleine Wassermann
Autoren: Otfried Preußler
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er.
    „Hm", blubberte Cyprinus. „Wie kann ich denn wissen, was du in dieser Schachtel hast. Würmer vielleicht? Oder Brotkrümel?"

    „Blitze", sagte der kleine Wassermann.
    „Blitze? In solch einer winzigen Schachtel?" Cyprinus besah sich den kleinen Wassermann kopfschüttelnd. „Machst du dich über mich lustig?"
    „Durchaus nicht", sagte der kleine Wassermann. „Es sind wirklich Blitze in dieser Schachtel, ich werde dir gleich beweisen, dass ich die Wahrheit gesprochen habe."
    Cyprinus sah misstrauisch zu, wie der Wassermannjunge ein Streichholz herausnahm. Ihm war die Geschichte nicht ganz geheuer. Er zog sich für alle Fälle ein Stückchen zurück.
    „Nun sage ich Hokuspokus", erklärte der Wassermannjunge mit ernstem Gesicht. „Und dann wirst du ja sehen, was weiter geschieht. Also aufgepasst! - Hokus...po-kus ..."
    Er ritzte bei „pokus" das Streichholz an. Zu seinem Arger wollte es diesmal nicht klappen. Es gab keinen Blitz und noch weniger eine Flamme.
    „Na, wenn das alles war", meinte Cyprinus und kam wieder näher herangeschwommen, „dann muss ich dir sagen, dass du mich ziemlich enttäuscht hast."
    „Beim ersten Mal geht es mir immer daneben", sagte der kleine Wassermann seelenruhig. „Aber beim zweiten Mal nicht mehr, du kannst dich darauf verlassen."
    Er hatte sich und dem Karpfen Cyprinus zu viel ver-sprochen. Die Streichhölzer brannten nicht an, auch das zweite und dritte und vierte nicht.
    „Wenn du das Blitze nennst", sagte Cyprinus geringschätzig, „bin ich ein Laubfrosch! He-he, so ein Unsinn! Da musst du dir schon einen Dümmeren suchen als mich!" Und er blubberte spöttisch die Luft aus.
    „Das kann ich mir gar nicht erklären ... Wie kommt das nur, dass es mir nicht mehr gelingt?", überlegte der kleine Wassermann niedergeschlagen. Und er erzählte dem Karpfen, wie gut er es vorhin gekonnt hatte, draußen an Land, bei den Menschenjungen.
    „Ja so, von den Menschen hast du die Schachtel bekommen", sagte Cyprinus. „Dann wundert mich nichts mehr. Sie haben dich damit angeschmiert, das ist alles. Ich habe dir hundert- und tausendmal zugeredet, du sollst dich vor ihnen in Acht nehmen. Aber du willst ja nicht hören! Da machst du dich lieber lächerlich! Wenn ich jetzt du wäre, wüsste ich, was ich täte!"
    „Was tätest du?", fragte der Wassermannjunge.
    „Ich würde hinaufschwimmen", sagte Cyprinus, „und würde ihnen die Schachtel da vor die Füße pfeffern. Jawohl! Und dann würde ich sagen: ,Rutscht mir den Buckel hinunter!'"
    „Das werde ich nicht sagen", meinte der kleine Wassermann, „sondern ich werde ganz ruhig mit ihnen sprechen.
    Ich kann mir beim besten Willen nicht denken, dass sie mich anschmieren wollten."
    „Dich anschmieren?", sagten die Menschenjungen, als ihnen der kleine Wassermann über sein Missgeschick haarklein berichtet hatte. „Nein, anschmieren wollte dich niemand, das darfst du uns glauben. Aber du kannst nicht verlangen, dass Streichhölzer, die du ins Wasser nimmst, anbrennen. Weißt du, das Wasser verdirbt sie, das lässt sich nun einmal nicht ändern."
    „Dann kann ich den Rest also wegwerfen?", fragte der Wassermannjunge.
    „Ja, wirf sie ins Feuer! Wir bringen dir morgen dafür wieder neue."
    „Ich wusste ja, dass euch Cyprinus nur schlechtmachen wollte", sagte der kleine Wassermann. „Aber er kennt euch ja nicht." Und er streute die Streichhölzer einzeln ins Feuer.
    Als er dann auch noch die Schachtel hineinwerfen wollte, hielt ihn der ältere Junge zurück.
    „Nein, die musst du dir aufheben!", sagte er. „Weißt du, mir ist ein Gedanke gekommen. Wir füllen die leere Schachtel mit Regenwürmern. Die trägst du in unserem Namen dem Karpfen Cyprinus hinunter und schenkst sie ihm. Es ist möglich, dass er dann nicht mehr so schlecht von uns denken wird wie bisher."

Gute Nacht, kleiner Wassermann!
    Die Tage vergingen, das Jahr wurde älter und älter. Schon waren die Bäume entblättert, es regnete oft, immer seltener kamen die Freunde zum Mühlenweiher. Und wenn sie es doch einmal wagten, so trugen sie lange
    Strümpfe und Wettermäntel. Der kleine Wassermann wartete häufig vergebens auf sie.
    Eines Morgens schien oben nach langer Zeit wieder die Sonne. Das merkte der kleine Wassermann, als er zum Fenster hinaussah. Das Wasser war hell und klar wie seit Tagen nicht mehr. Da dachte der Junge: Heut kommen sie ganz bestimmt! Und er freute sich sehr auf das Wiedersehen mit ihnen.
    Er konnte nicht wissen, was über Nacht mit dem
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