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Der kleine Wassermann

Der kleine Wassermann

Titel: Der kleine Wassermann
Autoren: Otfried Preußler
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hinter sich her. Bei jedem Schritt schwappte Wasser aus seinen Schuhen. Jämmerlich sah er aus!
    Sein zusammengeklappter Regenschirm schwamm auf dem Mühlenweiher.
    Der kleine Wassermann war zufrieden. Er packte den Schirm und warf ihn dem Menschenmann nach. Dann rief er: „Heda, du langer Lulatsch mit deinem Gestell auf der Nase! Glaubst du nun, dass ich ein Wassermann bin?"
    Da rannte der Menschenmann davon, so schnell ihn seine langen, dürren Beine trugen. Der kleine Wassermann aber lachte, dass er sich den Bauch halten musste. Und alle Fische, Schnecken und Wasserflöhe im Mühlenweiher lachten mit.

Gebratene Steine
    Es war ein schöner, sonniger Herbsttag und auf dem Mühlenweiher schwammen die ersten gelben Blätter. Wie goldene Schifflein trieben sie über den Teich. Der kleine Wassermann saß vor der Haustür des Wassermannhaus es und zählte sie.
    „Eins, zwei, drei, vier", zählte der kleine Wassermann. Und er dachte dabei: Wenn es genau neunundneunzig sind, dann darf ich mir etwas wünschen. Und was ich mir wünschen werde, das geht dann bestimmt in Erfüllung. Denn neunundneunzig ist eine Glückszahl.
    Aber als er gerade bei siebenundsechzig war, hörte er aus der Ferne, von über dem Wasser her, ein leises Gebimmel -bald hell und bald dunkler. Mit dem Gebimmel zusammen drang auch ein dumpfes Blöken zu ihm herunter. Das hörte sich an, als ob jemand mit tiefer Stimme in einen leeren Eimer hineinriefe. Ach, mag es bimmeln und blöken dort oben, dachte der kleine Wassermann, ich muss zählen!
    Und er gab sich alle Mühe, nicht hinzuhören. Aber wie das so geht, er hörte trotzdem immer wieder hin und überlegte dabei, was es sein könnte. Und plötzlich wusste er nicht mehr genau, ob nun zweiundsiebzig oder dreiundsiebzig an der Reihe war. Vor lauter Hören und Uberlegen war er ganz durcheinandergekommen.
    Wie schade!, dachte der kleine Wassermann. Mit dem Wünschen ist es nun leider vorbei. Aber vielleicht wären es am Ende gar keine neunundneunzig Blätter gewesen und dann wäre auch so nichts daraus geworden. Ich möchte aber doch gar zu gern wissen, was dort oben los ist!
    Er stieß sich mit beiden Füßen vom Grund ab und tauchte empor. Als er den Kopf aus dem Wasser hob, hörte er, dass das Bimmeln und Blöken von der Wiese hinter dem Weiher kam. Da schwamm er ans Ufer und bog mit den Händen das Schilf auseinander. Nun konnte er auf die Wiese hinausblicken wie durch den Spalt eines Vorhangs.
    Aber da war er beinahe ein bisschen enttäuscht von dem, was er sah. Denn er hatte sich Wunder was vorgestellt -und nun waren es bloß ein paar Kühe. Die zogen gemächlich über die Wiese und grasten.
    Bei jedem Schritt, den sie taten, erklangen die Glocken an ihren Hälsen. Manchmal hob eines der Tiere den Kopf und muhte. Dann muhten die anderen Kühe zurück. Und dann wieder war eine Zeit lang außer dem Glockengebimmel nur ihr zufriedenes Schnurpsen und Schnaufen zu hören.
    Und deshalb bin ich nun eigens heraufgeschwommen!, dachte der kleine Wassermann. Kühe, gewöhnliche Kühe! -Schon wollte er wieder nach Hause schwimmen, doch da bemerkte er etwas, das ihm recht sonderbar vorkam.
    Am Rand der Wiese saßen drei Menschenjungen, die hatten ein Feuerchen angemacht und warfen von Zeit zu Zeit faustgroße gelbe Kieselsteine hinein. Nach einer Weile holten sie dann die Steine mit ihren Stecken wieder heraus, schabten die Asche herunter und aßen die Steine auf.
    Darüber wunderte sich der kleine Wassermann sehr. Er wusste ja schon, dass die Menschen allerhand seltsame Gewohnheiten hatten, aber dass sie gebratene Steine verzehrten, das war ihm neu!
    Kurz entschlossen verließ er das Schilf, überquerte die Wiese und fragte die Buben am Feuer: „Lasst ihr mich mal davon kosten? Ich habe nämlich mein Lebtag noch keine gebratenen Steine gegessen."
    „Wir auch nicht", gaben die Buben zur Antwort.
    „Aber ich habe doch selber gesehen, dass ihr welche gegessen habt!", sagte der kleine Wassermann eigensinnig. „Es sind wohl besondere Steine, die ihr da bratet?"
    Da verstanden die Menschenjungen erst, was er meinte. Und sie mussten so schrecklich darüber lachen, dass sich die Kühe verwundert nach ihnen umschauten.
    „Was?", rief der eine Junge. „Gebratene Steine?"
    „Das sind doch Erdäpfel!", riefen die beiden anderen. „Kennst du denn keine Erdäpfel?"
    „Nein, woher soll ich die kennen", sagte der kleine Wassermann. „Erdäpfel heißen die Dinger?"

    „Na, hör mal, du machst dir wohl einen Narren
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