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Der kleine Wassermann

Der kleine Wassermann

Titel: Der kleine Wassermann
Autoren: Otfried Preußler
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ringsum.
    Und dann kam ein Plätschern vom Weiher herüber, genauso, als stiege da einer aus dem Wasser.
    Das ist er!, durchfuhr es den kleinen Wassermann. Das muss er sein!
    Er drehte sich um.
    Doch da war er nicht wenig enttäuscht, denn er sah seinen eigenen Vater vor sich, wie er gerade ans Ufer stieg.
    „Aber Junge", sagte der Wassermannvater, „was tust du denn da?"
    „Was ich tu?", wiederholte der kleine Wassermann traurig. „Ich habe den Regen gesucht und nun rufe ich ihn. Aber der Regen gibt keine Antwort. Ich glaube fast, er ist fortgegangen."
    Da musste der Wassermann lachen.
    „Wen suchst du? Den Regen? Ach, Junge, du stehst doch die ganze Zeit mitten darin! - Ja, das kommt davon", fügte er schmunzelnd hinzu, „das kommt davon, wenn man dem Vater nicht zuhören kann, bis er etwas zu Ende erzählt hat."

Der hölzerne Kasten
    Im Sommer kamen fast jeden Tag große und kleine Menschen aus dem Dorf an den Mühlenweiher, um darin zu baden. Dem Karpfen Cyprinus behagte das gar nicht; er fand, sie sollten lieber daheim bleiben. Aber dem kleinen Wassermann machte es Spaß, sich im Ufergebüsch zu verbergen und ihnen beim Baden zuzuschauen.
    Schwimmen konnten sie alle miteinander nicht besonders gut, diese Menschen. Die einen schwammen so ähnlich wie Frösche, die anderen gar nur im Hundetrab. Und alle hielten beim Schwimmen den Kopf über Wasser. Es war ein lustiges Bild, wie die vielen roten Menschengesichter prustend und schnaufend auf dem Mühlenweiher herumschwammen.
    Aber noch lustiger sahen die schwimmenden Menschen von unten aus! Wenn der kleine Wassermann untertauchte und sich auf den Rücken drehte, dann sah er sie oben als zappelnde Schatten dahingleiten. Deutlich hoben sich ihre Körper gegen die sonnenbeschienene Oberfläche des Weihers ab. Der kleine Wassermann fand es sehr drollig, wie sie die Glieder verrenkten und dabei doch nur so langsam vom Fleck kamen.
    Als er wieder einmal auf dem Rücken im Schlamm lag und zu den Menschen hinaufschaute, schob sich dort oben auf einmal ein plumpes schwarzes Ding heran, das er noch niemals gesehen hatte. Das Ding schwamm über ihn hinweg wie ein riesiger Fisch, aber es hatte keine Flossen und keinen Schwanz. Er konnte sich nicht erklären, wie das Ding es fertigbrachte, sich nicht zu rühren und trotzdem vorwärtszukommen. Er dachte: Das muss ich mir unbedingt einmal ansehen!

    Der kleine Wassermann schwamm ans Ufer und tauchte auf. Da sah er, dass dieses seltsame Ding ein langer hölzerner Kasten war, in dem ein Menschenmann saß; und der Menschenmann war der Müller. Er hielt in jeder Hand eine Stange, damit ruderte er den Holzkasten über den Teich.
    Da entsann sich der kleine Wassermann, dass er den Kasten schon manchmal gesehen hatte. Richtig, der lag ja sonst immer im Schilf und er hatte ihn bis auf den heutigen Tag für eine Art Waschtrog gehalten. Jetzt aber wusste er, dass man damit auf dem Wasser herumfahren konnte.
    Eigentlich nicht verkehrt!, überlegte der kleine Wassermann und gab acht, wie der Müller die beiden Stangen bewegte. Das muss ich mir merken!, nahm er sich vor. Denn er wollte, sobald es sich machen ließ, auch eine Fahrt mit dem hölzernen Kasten versuchen.
    Am nächsten Tag um die Mittagszeit, als die Menschen alle in ihren Häusern beim Essen waren, schien es dem kleinen Wassermann günstig.
    Der Kasten lag an der alten Stelle im Schilf. Er war festgebunden, aber das tat nichts. Der kleine Wassermann konnte zwar den Knoten nicht aufknüpfen, dafür aber zog er kurzerhand den Haltepflock aus dem weichen Boden, klemmte ihn unter den Arm und stieg ein.
    Aber wo waren die beiden Stangen, mit denen der Müller gerudert hatte? Er konnte sie nirgends finden. Der Müller hatte sie anscheinend mitgenommen. Das war doch zu dumm! Wie sollte er über den Teich fahren, wenn er die Stangen nicht hatte?
    Der kleine Wassermann dachte ein Weilchen nach. Dann nahm er den Haltepflock und versuchte, mit ihm zu rudern. Das ging aber nicht. Er setzte sich nun auf den hinteren Rand des Kastens, tauchte den Pflock in das seichte Wasser und stieß sich mit seiner Hilfe ein paarmal ab.
    Schwerfällig schob sich der hölzerne Kasten durch das Schilf, die Halme bogen sich rauschend und knisternd zur Seite. Nach wenigen Stößen erreichte der Kasten das offene Wasser. Aber jetzt wurde der Mühlenweiher tiefer und bald fand der kleine Wassermann keinen Grund mehr: Der Pflock war zu kurz!
    Eine schöne Geschichte!, dachte der kleine Wassermann ärgerlich.
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