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Der kleine Wassermann

Der kleine Wassermann

Titel: Der kleine Wassermann
Autoren: Otfried Preußler
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passieren! Was gibst du mir, wenn ich mich mitschwemmen lasse?"
    „Nur das nicht!", wehrte Cyprinus erschrocken ab. „Du bist wohl nicht recht bei Trost? Dich schwemmen lassen!"
    „Jawohl!", rief der kleine Wassermann. „Glaubst du, dass ich Angst habe? Aufgepasst, es geht los!"
    Und zum hellen Entsetzen des Freundes schwamm er geradewegs auf das Schleusentor zu, das zur Hälfte geöffnet war. Als er dann merkte, dass ihn die Strömung erfasst hatte, ließ er sich treiben.
    Dem braven Cyprinus sträubten sich alle Flossen. In tausend Ängsten rief er: „Zurück! Zurück! Bist du wahnsinnig, Junge?"
    In seiner Verzweiflung schwamm er dem kleinen Wassermann nach und es fehlte nicht viel, da wäre er selber auch noch mit in die Strömung hineingeraten. Ein Glück nur, dass er gerade noch rechtzeitig einhalten konnte!
    Er blubberte jammernd hinter dem kleinen Wassermann drein: „Der Junge, der Junge! Aus lauter Ubermut bringt er sich um! Er scheint nicht zu wissen, der Ärmste, was er sich da eingebrockt hat!"
    Aber der kleine Wassermann wusste das ziemlich genau. Er kannte, zum Unterschied von Cyprinus, den Mühlenweiher ja nicht nur von innen! War er nicht oft genug schon am Ufer gewesen und hatte sich umgesehen?
    Er wusste, dass hinter dem Schleusentor eine schmale, offene Wasserrinne mit hölzernem Boden und hölzernen Wänden begann. Das Wasser, das unter dem Tor hinausschoss, stürzte in dieser Rinne zur Mühle hinunter. Dort verschwand es mit großem Getöse in einem Bretterverschlag. Was ihm bevorstand, wenn ihn das Wasser mit in die Mühle hineinschwemmen würde, wusste der kleine Wassermann allerdings nicht. Aber er hatte auch gar nicht die Absicht, es auszuprobieren.
    Er wollte nur seinem Freund, dem Karpfen Cyprinus, ein bisschen Bange machen. Er dachte sich: Wenn ich ans Tor komme, werde ich rasch meine Arme ausstrecken und mich daran festhalten! Dann werde ich ganz gemütlich ans Ufer klettern und mir eins lachen. Ich müsste ja schön dumm sein, wenn ich mich wirklich hinaustreiben ließe! Das wäre selbst mir zu gefährlich!
    So war das nun also. Der gute Cyprinus war außer sich vor Entsetzen über den kleinen Wassermann und der kleine Wassermann machte sich bloß einen Jux mit ihm.
    Immer schneller und schneller strömte das Wasser dahin und je rascher er dem geöffneten Tor zutrieb, desto besser gefiel es dem Wassermannjungen. Wie ein starker Wind strich das Wasser an seinem Körper entlang. Es zauste an seiner Jacke und den grünen Haaren, die unter der Zipfelmütze hervorschauten.
    Achtgeben, achtgeben, dass ich das Tor nicht verpasse ...
    Da war es!
    Der kleine Wassermann streckte die Arme aus, griff nach dem untersten Balken und dachte schon: Gut so, ich habe ihn!
    Aber der Balken ...
    Der Balken war viel zu glitschig! Das machten die Algen, die sich da angesetzt hatten. Als hätte ihn jemand mit Schmierseife eingeschmiert, so griff er sich an.
    Der kleine Wassermann fand keinen Halt. Er glitt ab. Mit den Füßen voran, auf dem Rücken, flutschte er unter dem Schleusentor durch - in die Rinne!
    Festhalten!, dachte er, festhalten!
    Aber was nützte ihm das?
    Ach, das nützte ihm gar nichts. Es nützte auch nichts, dass er dachte: Wenn ich doch bloß auf den Karpfen Cyprinus gehört hätte! - Nein, das war alles umsonst.
    Der kleine Wassermann schoss wie ein Hecht durch die hölzerne Rinne.

    Er sah ein paar grüne Schatten vorbeiwischen - Baume. Er sah ein paar weiße Flecken am Himmel dahinhuschen -Wolken. Er hörte von fern das Getöse, mit dem sich das Wasser zur Mühle hineinstürzte, hinter den Bretterverschlag.
    Das Tosen kam näher, schwoll an, wurde lauter und lauter und lauter. Schon dröhnte dem kleinen Wassermann nur so der Kopf davon. - Es ist aus, es ist aus!, war das Einzige, was er noch denken konnte. Er machte sich steif, hielt den Atem an, wartete ...
    Jetzt! Eine Bretterwand kam auf ihn zu - tat sich auf -und verschluckte ihn.
    Nacht war es plötzlich geworden. Es donnerte, brodelte, zischte. Dann spürte der kleine Wassermann, dass er ein Stück durch die Luft flog. Er überschlug sich ein paarmal und rumpelte gleich darauf in die Tiefe.
    Das Mühlenrad hatte ihn mitgenommen!
    Ja, das war schlimm. Ein Menschenjunge, der hätte die Rutschpartie über das Mühlenrad schwerlich mit heiler Haut überstanden. Der hätte sich mindestens etliche Rippen dabei gebrochen und möglicherweise sogar das Genick.
    Aber ein Wassermann hält eben doch etwas mehr aus! Der bricht sich so
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