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Der kleine Lord

Titel: Der kleine Lord
Autoren: Frances Hodgson Burnett
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ihn glaubte, und auch weil der Graf endlich
mit seines Erben Mutter Frieden geschlossen hatte und ihr mit Achtung
begegnete. Ja, einige waren sogar der Ansicht, daß die
einstige Feindschaft im Begriff stehe, sich in warme Freundschaft zu
verwandeln, und daß unter dem zweifachen Einfluß des
Kindes und der Mutter noch ein ganz manierlicher alter Edelmann aus ihm
werden könne, was dann jedenfalls männiglich zu gute
käme.
    Welche Scharen von Menschen sich unter den Bäumen und
auf dem großen offnen Rasenplatz und unter den Zelten
umhertrieben! Pächter und Pächtersfrauen in ihren
Sonntagskleidern, Hüten und Shawls; junge Burschen mit ihren
Mädchen; Kinder, die sich jagten und fröhlich
umhersprangen, und alte Frauen, die in ihren roten Mänteln bei
einander standen und schwatzten. Auch im Schlosse gab es
Gäste, Damen und Herren, die gekommen waren, um sich den
Spaß mit anzusehen, dem kleinen Lord ihren
Glückwunsch darzubringen und Mrs. Errols Bekanntschaft zu
machen. Lady Lorridaile und Sir Harry hatten sich eingefunden, Sir
Thomas Asshe mit seinen Töchtern und
selbstverständlich Mr. Havisham, und vor allem die
schöne Vivian Herbert in einem ganz entzückenden
weißen Kleide, mit einem Spitzenschirm und dem unvermeidlichen
Geleite von Verehrern, die ihr aber samt und sonders nicht so
interessant zu sein schienen, wie ihr allerjüngster. Als er
sie sah, flog er auf sie zu und schlang die Arme um ihren Hals, und sie
küßte ihn so herzlich, als ob er ihr kleiner
Lieblingsbruder wäre, und sagte: »Lieber Fauntleroy!
Herzensjunge! Ach, ich bin so froh, so von Herzen froh
–«
    Und nachher wandelten die beiden Hand in Hand durch den Park,
und er zeigte ihr sämtliche Merkwürdigkeiten, und
schließlich führte er sie dahin, wo Mr. Hobbs und
Dick sich aufgepflanzt hatten, und stellte ihr die beiden vor.
    »Das ist mein alter, ganz alter Freund,«
sagte er, »Mr. Hobbs – Miß Herbert
– und das ist mein andrer alter Freund, Dick, und ich habe
ihnen schon lange erzählt, wie schön du bist, und
habe ihnen versprochen, daß sie dich sehen dürften,
wenn du zu meinem Geburtstage kommst.«
    Miß Herbert reichte beiden in ihrer
liebenswürdigen Weise die Hand und plauderte eine Weile mit
ihnen, stellte Fragen über Amerika und erkundigte sich, wie
ihnen England gefalle, und Cedrik schwieg dazu und sah nur von der
Seite mit strahlenden, bewundernden Blicken zu ihr auf und wurde ganz
rot vor Freude, als er wahrnahm, daß Mr. Hobbs und Dick sein
Entzücken teilten.
    »Na, aber,« erklärte Dick nachher
mit feierlicher Kennermiene, »das muß ich sagen, so
'was hab' ich noch nicht gesehen. Die – die ist akkurat wie
ein Bild – so 'was, hab' ich gedacht, kommt nur in
Geschichten vor.«
    Jedermann sah ihr nach, wo sie vorüberging, und
jedermann sah dem kleinen Lord Fauntleroy nach, und dazu schien die
Sonne, die Fahnen flatterten, die Spiele nahmen ihren Verlauf, die
Tanzenden flogen unermüdlich dahin, und inmitten der
allgemeinen Freude schwamm Seine kleine Herrlichkeit förmlich
in einem Meer von Wonne, und die ganze Welt erschien ihm so rosig, als
sie nur je einem kleinen Jungen an seinem achten Geburtstag vorgekommen
sein kann.
    Und noch ein andrer war im innersten Herzen beglückt
und glücklich – ein alter Mann, der, wenn er auch
sein Lebenlang reich und vornehm gewesen war, doch im rechten
Glücklichsein wenig Erfahrung hatte. Vielleicht war's auch,
weil er gelernt hatte, gegen andre gut zu sein, daß er
plötzlich auf seine alten Tage erfahren hatte, wie es thut,
von Herzen froh zu sein. Allerdings hatte er's im Gutsein noch lange
nicht so weit gebracht, als Fauntleroy glaubte, aber er hatte
mindestens gelernt, etwas lieb zu haben in der Welt, und er hatte sich
mehrmals darüber ertappt, daß er die
wohlthätigen Dinge, zu denen ihn das arglose Vertrauen seines
Enkels moralisch nötigte, eigentlich gar nicht ungern that
– und das war immerhin ein Anfang. Ueberdies gefiel ihm
seines Sohnes Frau mit jedem Tage besser, und es war keine ganz
unwichtige Beobachtung, daß er im Begriff stand, auch sie lieb
zu gewinnen. Er hörte gern ihre liebliche Stimme und sah gern
in ihr reizendes Gesicht, und wenn er abends in seinem Lehnstuhl
saß und sie mit ihrem Jungen am Kamin plauderte,
hörte er gern unbemerkt zu und vernahm mit einer gewissen
Neugier zärtliche, kluge und fein empfundene Worte, wie er sie
vordem nie gehört hatte, und er
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