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Der kleine Lord

Titel: Der kleine Lord
Autoren: Frances Hodgson Burnett
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begriff nun wohl, weshalb der
kleine Geselle trotz der armseligen Straße in New York und
trotz des Umgangs mit Krämern und Stiefelputzern eine
vornehme, ritterliche Natur war, deren sich niemand zu schämen
hatte, auch wenn es dem Geschick gefiel, ihn plötzlich wie im
Märchen in ein Schloß zu versetzen und ihn zum Erben
all der Herrlichkeit zu machen.
    Die Sache war ja so einfach, es war ein reines, gutes,
edelfühlendes Mutterherz, das ihn umgeben und geleitet hatte,
und ihn gelehrt, gute Gedanken zu denken und für andre zu
sorgen. Das ist sehr wenig und ist sehr einfach und ist vielleicht
höher und besser, als alles andre. Er wußte nichts
von Titel und Rang, von vornehmem Leben und vornehmen Sitten, aber er
war überall und in jeder Lage liebenswert, weil er wahr und
einfach und liebenden Herzens war. Und wer das ist, ist auch ein
Königskind.
    Und der alte Graf Dorincourt war heute wohl mit ihm zufrieden,
wenn er ihn im Park sich unter den Leuten umhertreiben, mit manchen
plaudern und jeden Gruß mit seinem kleinen, höflichen
Komplimentchen erwidern sah, oder wenn er gegen seine Freunde, Mr.
Hobbs und Dick, den aufmerksamen Wirt machte, oder sich leise neben
seine Mutter oder Miß Herbert schlich und andächtig
ihrer Unterhaltung lauschte. Am meisten befriedigt aber war er, als sie
alle miteinander zu dem grüßten Zelt traten, wo die
wohlhabenderen, bedeutenderen Pächter mit ihren Familien
saßen und sich an Speisen und Getränk
gütlich thaten.
    Die Trinksprüche hatten eben angefangen, und der
offizielle Toast auf den Grafen wurde heute mit einer gewissen
Wärme aufgenommen, wie sie noch vor wenig Monaten undenkbar
gewesen wäre. Dann aber brachte ein wohlbestallter Landmann
die Gesundheit Lord Fauntleroys aus, und wenn an der
Popularität Seiner kleinen Herrlichkeit auch noch der
geringste Zweifel möglich gewesen wäre, so
hätten diese endlosen, jubelnden Hurras, das
Gläserklirren und Händeklatschen ihn beseitigen
müssen. Ja, die Begeisterung war so groß unter den
gutherzigen Leuten, daß nicht einmal die Gegenwart der Damen
und Herren vom Schloß ihnen den geringsten Zwang auferlegen
konnte. Es entstand ein ganzer Tumult und viel gerührte Blicke
der Frauen ruhten auf der blühenden Kindergestalt, die
zwischen Großvater und Mutter stand, und feuchten Auges flog
es von Mund zu Mund: »Gott segne ihn, den herzigen, kleinen
Jungen!«
    Der kleine Lord Fauntleroy war glückselig. Er
lächelte und machte zahllose Verbeugungen und war ganz
purpurrot vor Stolz und Freude.
    »Thun sie das, weil sie mich gern haben,
Herzlieb?« fragte er stürmisch. »Ganz
gewiß? Deshalb, Herzlieb, wirklich? O, wie bin ich
froh!«
    Und dann legte der Graf seine Hand auf des Knaben Schulter und
sagte:
    »Fauntleroy, du mußt ihnen danken
für ihre Freundlichkeit.«
    Cedrik sah betroffen zu ihm auf und blickte dann seine Mutter
an.
    »Muß ich das?« fragte er mit einem
Anflug von Schüchternheit, und als sowohl Herzlieb als
Miß Herbert ihm lächelnd zunickten, nahm er sein
kleines Herz in beide Hände und trat entschlossen einen
Schritt vor. Aller Augen richteten sich auf ihn, und er stand da mit
seinem schönen, unschuldigen Kindergesicht, das einen
rührenden Ausdruck von Tapferkeit trug, und begann, so laut er
konnte, zu sprechen, so daß die hohe klare Stimme weithin
vernehmbar war.
    »Ich danke Ihnen so sehr! und ich hoffe, daß
Sie an meinem Geburtstag recht vergnügt sind – weil
ich auch so sehr vergnügt bin – und ich –
ich freue mich auch sehr, daß ich Graf werden soll –
im Anfang, da hab' ich mich nicht so gefreut – und ich
– ich habe das Schloß so gern und das Dorf auch
– es ist so schön hier – und –
und – und wenn ich einmal Graf bin, will ich's versuchen,
gerade so ein guter zu werden, wie mein Großvater.«
    Unter donnerndem Jubelruf der begeisterten Menge trat er
zurück, schob mit einem leisen Seufzer der Erleichterung seine
Hand in die des Grafen und schmiegte sich mit einem fragenden Blick, ob
er es so recht gemacht habe, an den alten Herrn.
    Das wäre eigentlich das Ende meiner Geschichte,
allein ich kann mich nicht enthalten, noch von einer höchst
eigenartigen Erscheinung zu berichten, und diese ist, daß der
stolze Republikaner Mr. Hobbs sich von Alt-Englands
»'ristokraten« so angezogen fühlte und es so
unmöglich fand, seinen jungen Freund ohne seine Aufsicht
heranwachsen zu lassen, daß er den
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