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Der kleine Lord

Titel: Der kleine Lord
Autoren: Frances Hodgson Burnett
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nicht ein sehr junger Anwalt mit
thatendurstigem Gemüte und einer beneidenswerten
Fülle von verfügbarer Zeit gewesen, so hätte
es wohl etwas Mühe gekostet, ihm für diese
überaus fabelhaft klingende, unklare Geschichte Interesse
einzustoßen, da er aber zufällig ein brennendes
Verlangen nach Arbeit hatte, und da er zufällig Dick kannte,
und dieser Dick zufällig eine höchst lebendige,
dramatische Darstellungsweise hatte, in welcher er sein Anliegen
vortrug, so lief alles nach Wunsch ab.
    »Und,« bemerkte Mr. Hobbs, »sagen
Sie ungeniert, was Ihre Zeit zur Stunde wert ist, und nehmen Sie's
gründlich – bezahlen werde ich, ich –
Silas Hobbs, Ecke der Blankstreet, Gemüse- und
Spezereihandlung.«
    »Wenn sich die Sache wirklich bewahrheitet, so wie
Dick sie auffaßt,« sagte Harrison, »so ist
sie für mich nicht minder von Bedeutung als für Lord
Fauntleroy selber, und keinesfalls können Nachforschungen
irgend einem Teile Schaden bringen. Offenbar haben sich in bezug auf
den Knaben einige zweifelhafte Punkte herausgestellt. Die Frau hat sich
bei der Angabe seines Alters mehrfach widersprochen und dadurch
Verdacht erregt. In erster Linie muß an Dicks Bruder und an
den Anwalt des Grafen Dorincourt geschrieben werden.«
    Ehe die Sonne unterging, waren zwei Briefe nach verschiedenen
Himmelsrichtungen unterwegs. Der eine segelte mit einem englischen
Postdampfer zum New Yorker Hafen hinaus, der andre brauste auf einem
kalifornischen Postzug mit Windeseile dahin; der erstere trug die
Adresse T. Havisham, Esqu., der andre war an Mr. Benjamin Tipton
gerichtet.
    Nachdem der Laden am Abend dieses denkwürdigen Tages
geschlossen worden, saßen Mr. Hobbs und Dick noch bis nach
Mitternacht in ernstem Gespräche und angelegentlicher Beratung
bei einander.

Dreizehntes Kapitel
Unliebsame Ueberraschungen
    Es ist erstaunlich, in wie kurzer Zeit manchmal gerade die
allermerkwürdigsten Dinge es fertig bringen, sich zu ereignen.
Ein paar Minuten hatten einst hingereicht, den kleinen Jungen, der
seine rotbestrumpften Beine von Mr. Hobbs' Schreibstuhl herunterbaumeln
ließ und ein höchst anspruchsloses Dasein in einer
weltentlegenen Straße führte, in einen englischen
Edelmann und den Erben eines unermeßlichen Besitztums zu
verwandeln. Und wieder hatten ein paar hundert Worte genügt,
diesen Edelmann zu einem kleinen Usurpator zu stempeln, der keinen
Heller besaß und auf den Glanz, der ihn umgab, nicht das
geringste Anrecht hatte. Und so unglaublich es scheinen mag, nahm es
wieder nicht allzu lange Zeit in Anspruch, von neuem alles
umzugestalten und dem, der in Gefahr gestanden hatte, alles zu
verlieren, alles zurückzugeben.
    Daß diese letzte Wandlung der Dinge
verhältnismäßig rasch vollzogen werden
konnte, rührte besonders daher, daß die Frau, die
sich Lady Fauntleroy nannte, ihrer Rolle in keiner Weise gewachsen war.
Als Mr. Havisham sie einem ziemlich scharfen Kreuzverhör
über ihre Verheiratung und über ihr Kind unterworfen
hatte, war ihr begegnet, zwei- oder dreimal mit ihren eignen Aussagen
in Widerspruch zu geraten, was sein Mißtrauen in hohem Grade
erweckte. Sobald ihr aber dies zum Bewußtsein gekommen war,
hatte sie alle Selbstbeherrschung und Geistesgegenwart verloren und
sich in ihrer Wut immer mehr ins Verderben geredet. Ihre Angaben waren
nur in bezug auf den Knaben unrichtig und schwankend; über die
Thatsache ihrer Heirat mit Bevis, Lord, Fauntleroy, und ihre darauf
folgende Entzweiung hatte auch Mr. Havisham keinerlei Zweifel. Dagegen
brachte er heraus, daß ihre Aussage über den Ort, wo
das Kind geboren war – ein Vorstadt von London –
auf Erfindung beruhte, und als er auf Grund dieser ersten Unwahrheit
mit mehr Hoffnung auf Erfolg als bisher seine Nachforschungen zu
betreiben anfing, kam der Brief des jungen New Yorker Advokaten, sowie
die beiden Schreiben von Mr. Hobbs.
    Das war ein Abend, als der Graf und Mr. Havisham, die Briefe
vor sich, in der Bibliothek saßen und ihre weiteren Plane
besprachen!
    »Von der dritten Unterredung an,« sagte Mr.
Havisham, »war mir die Person in hohem Maße
verdächtig. Das Kind schien mir älter zu sein, als
sie angab, und sie irrte sich plötzlich einmal in der
Jahreszahl seiner Geburt und versuchte dann, die Sache wieder zu
vertuschen. Verschiedene Verdachtsmomente, die mir aufgestoßen
waren, stimmen genau zu der in diesen Briefen erzählten
Geschichte. Das Beste ist jedenfalls,
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