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Der kleine Lord

Titel: Der kleine Lord
Autoren: Frances Hodgson Burnett
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plötzlich am Fieber
gestorben. Nun wäre es schließlich an seinem eignen
Papa gewesen, den Titel zu bekommen, da aber alle tot waren und niemand
übrig, kam es zu guter Letzt darauf hinaus, daß er
nach seines Großvaters Tode der Graf und Erbe werden
würde – und jetzt für den Augenblick war er
Lord Fauntleroy.
    Als er dies zuerst erfuhr, ward er ganz bleich.
    »O Herzlieb!« sagte er, »ich
möchte lieber kein Graf sein. Keiner von den andern Jungen ist
ein Graf. Kann ich nicht keiner sein?«
    Die Sache schien sich jedoch nicht umgehen zu lassen, und als
er abends mit seinem Mütterchen am Fenster saß und in
die armselige Straße hinausblickte, sprachen sie lange und
eingehend darüber. Cedrik saß auf seiner
Fußbank, das eine Bein übergeschlagen, wie es seine
Lieblingsstellung war, und sein kleines Gesicht war ein wenig
verstört und ganz rot vor lauter Nachdenken. Sein
Großvater wollte, daß er nach England kommen solle,
und hatte deshalb den alten Herrn geschickt.
    »Ich weiß, daß dein Papa sich
darüber freuen würde,« sagte seine Mama, die
traurigen Augen dem Fenster zugewendet. »Sein Herz hing sehr
an seiner Heimat, und dann sind dabei auch noch viele Dinge zu
bedenken, die du noch nicht verstehen kannst, mein Kind. Ich
würde eine sehr selbstsüchtige Mama sein, wenn ich
dich nicht reisen ließe – das wirst du alles
begreifen, wenn du erst erwachsen bist.«
    Cedrik schüttelte wehmütig das
Köpfchen. »Es thut mir so leid, wenn ich von Mr.
Hobbs fort muß,« sagte er. »Ich habe Angst,
er wird mich vermissen und er wird mir sehr fehlen – er und
all die andern.«
    Als Mr. Havisham, welcher der langjährige Sachwalter
des Grafen Dorincourt war, und der die Mission hatte, Lord Fauntleroy
nach England zu bringen, am nächsten Tage wiederkam, erfuhr
Cedrik sehr viel Neues, allein es war ihm gar nicht sehr
tröstlich, zu erfahren, daß er dereinst ein sehr
reicher Mann sein und hier ein Schloß und dort ein
Schloß, große Parks, Bergwerke und
Ländereien und viele Dienerschaft besitzen werde. Er war sehr
bekümmert im Gedanken an seinen Freund, Mr. Hobbs, und bald
nach dem Frühstück suchte er ihn voll Herzensangst in
seinem Laden auf.
    Er fand ihn die Zeitung lesend und trat ihm mit ernster Miene
gegenüber: er wußte ja, daß das, was ihm
widerfahren, für Mr. Hobbs ein herber Schlag sein
mußte, und er hatte sich's unterwegs genau überlegt,
wie er ihm die Sache beibringen wollte.
    »Hallo!« sagte Mr. Hobbs.
»'Morgen!«
    »Guten Morgen,« sagte Cedrik. Er kletterte
nicht wie sonst auf seinen hohen Stuhl, sondern setzte sich auf einen
Biskuitkasten und schlug die Beine übereinander und schwieg so
lange, bis Mr. Hobbs fragend über sein Zeitungsblatt
hinüber nach ihm hinschielte.
    »Hallo!« sagte er noch einmal.
    Cedrik faßte sich ein Herz.
    »Mr. Hobbs,« begann er, »wissen Sie
noch, von was wir gestern vormittag gesprochen haben?«
    »Hm, ja, von England dächt' ich.«
    »Freilich, aber gerade als Mary hereinkam, wissen Sie
das noch?«
    Mr. Hobbs rieb sich den Hinterkopf.
    »Wir diskurierten über die Königin
und die ›'Ristokraten‹.«
    »Ja,« sagte Cedrik zögernd,
»und, und über die Grafen; wissen Sie noch?«
    »Jawohl,« erwiderte Mr. Hobbs, »die
kamen schlecht weg dabei, wie sich's gehört!«
    Cedrik ward rot bis unter sein lockiges Stirnhaar, in solcher
Verlegenheit hatte er sich im Leben noch nie befunden und dabei
ängstigte ihn das Gefühl, daß die Sache auch
für Mr. Hobbs nicht ohne Verlegenheit ablaufen werde.
    »Ja, und Sie sagten,« fuhr er fort,
»daß Sie keinen von den 'Ristokraten auf Ihren
Biskuitkisten herumsitzen lassen würden.«
    »Das will ich meinen!« bestätigte
Mr. Hobbs seinen Ausspruch mit Ueberzeugung. »Soll nur 'mal
einer kommen, dem werd' ich's zeigen.«
    »Mr. Hobbs,« sagte Cedrik
schüchtern, »es sitzt aber einer auf dieser
Kiste!«
    Um ein Haar wäre Mr. Hobbs vom Stuhle gefallen.
    »Was?« rief er.
    »Ja,« erklärte Cedrik in
gebührender Demut, »ich bin einer oder werde
wenigstens später einer werden. Ich will Sie nicht
hintergehen.«
    Mr. Hobbs sah ganz alteriert aus; er erhob sich
plötzlich und sah nach dem Thermometer.
    »Muß wohl so was wie ein Sonnenstich
sein,« erklärte er, seinen kleinen Freund scharf ins
Auge fassend. »Die Hitze ist auch danach! Hast du Schmerzen?
Seit wann fühlst du den Zustand?«
    Er legte seine breite Hand auf des Knaben Haupt, und
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