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Der kleine Lord

Titel: Der kleine Lord
Autoren: Frances Hodgson Burnett
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werden; ein Tyrann
werde ich gewiß nicht. Und wenn wieder ein Krieg mit Amerika
kommt, so werde ich dem ein Ende machen, wenn ich kann.«
    Es folgte nun eine eingehende, ernsthafte Besprechung mit Mr.
Hobbs über den politischen Gesichtspunkt der Sache. Nachdem
der würdige Mann den ersten Schreck überwunden hatte,
zeigte er sich weit milder, als zu erwarten gewesen, that sein
Möglichstes, die Sache von der guten Seite zu nehmen, und
stellte eine Menge Fragen. Da Cedrik nur einen kleinen Teil derselben
beantworten konnte, suchte er dies selbst zu vollbringen, und als er
einmal im Zuge war, verkündigte er über Erbrecht,
Grafentitel und Familiengesetze Dinge, die Mr. Havisham in
großes Erstaunen gesetzt haben würden.
    Mr. Havisham erlebte überhaupt viel Erstaunliches. Er
hatte sein ganzes Leben in England zugebracht, und amerikanische Sitten
und Menschen waren ihm vollkommen fremd. Seit beinahe vierzig Jahren
stand er in Geschäftsverbindung mit der Familie des Grafen
Dorincourt, kannte alle Verhältnisse und Besitztümer
des Hauses aus- und inwendig und empfand in seiner kühlen,
geschäftsmäßigen Weise ein gewisses
Interesse für den kleinen Jungen, der einst Herr und Gebieter
über alles sein sollte. Alle Enttäuschungen, welche
die älteren Söhne dem Vater bereitet, hatte er
miterlebt, hatte des Grafen Entrüstung über
Kapitän Cedriks Heirat mitangesehen und mußte, wie
der alte Herr die kleine Witwe haßte, und in welch bittern,
harten Worten er von ihr zusprechen pflegte. Sie war in seinen Augen
nun ein für allemal nichts als eine ungebildete Amerikanerin,
die seinen Sohn ins Netz gelockt, weil sie gewußt hatte, welch
einer Familie er angehörte, und Mr. Havisham teilte diese
Auffassung so ziemlich, denn er hatte ja im Leben genug
käufliche und berechnende Seelen kennen gelernt, und von den
Amerikanern hielt er ohnehin nicht viel. Als der Kutscher ihn nach
seiner Ankunft in die entlegene ärmliche Straße und
vor das elende kleine Haus gefahren hatte, war er ganz entsetzt
gewesen: daß der künftige Besitzer von
Schloß Dorincourt und Wyndham Towers und Chorlworth und all
den andern stattlichen Gütern hier geboren und groß
gewachsen sein sollte, verletzte auch sein Selbstgefühl.
    Er war sehr gespannt, welcher Art Mutter und Kind sein
würden, und es bangte ihm vor der Begegnung: er war stolz auf
das vornehme alte Haus, dessen Angelegenheiten so lange schon die
seinigen waren, und es hätte ihn im Innersten peinlich
berührt, wenn er mit einer niedrig denkenden, geldgierigen
Frau zu thun bekommen hätte, die für ihres
verstorbenen Mannes Stellung und Ehre kein Gefühl gehabt.
Handelte es sich doch um einen alten Namen und um einen
glänzenden, für den Mr. Havisham sich trotz aller
Kühle und geschäftsmännischen
Nüchternheit einer gewissen Ehrfurcht nicht erwehren konnte.
    Als Mary ihn in den kleinen Salon geführt hatte, warf
er einen kritischen Blick um sich. Die Einrichtung war einfach, aber
wohnlich; nirgends waren geschmacklose, billige Spielereien oder
Farbendrucke an den Wänden; der wenige Wandschmuck war
durchaus künstlerischer Art und eine Menge hübscher
Kleinigkeiten, die von weiblicher Hand herrührten, machten den
Raum behaglich.
    »So weit nicht übel,« sagte der
alte Herr zu sich selbst, »da hat aber wohl des
Kapitäns Geschmack den Ausschlag gegeben.« Als jedoch
Mrs. Errol ins Zimmer trat, konnte er nicht umhin, zu denken,
daß möglicherweise auch der ihrige maßgebend
gewesen sein könnte. Wäre er nicht ein gar so
steifer, zurückhaltender Geschäftsmann gewesen, so
würde er vermutlich seine Ueberraschung bei ihrem Anblick
nicht verborgen haben; sie sah in dem schlichten schwarzen Gewande, das
sich eng um ihre zarte Gestalt schmiegte, weit eher wie ein junges
Mädchen, als wie die Mutter eines siebenjährigen
Jungen aus; ihr Gesichtchen war hübsch, und in den
großen braunen Augen lag ein Blick voll Unschuld und
Innigkeit, dabei aber auch von unsäglicher Traurigkeit, die
nicht mehr von ihr gewichen war, seit sie ihren Mann verloren. Cedrik
hatte sich ganz an die traurigen Augen gewöhnt, und zuweilen
sah er sie doch auch fröhlich aufleuchten, das war aber nur,
wenn er mit ihr spielte oder plauderte oder irgend etwas Altkluges
sagte oder eins von den langen Fremdwörtern gebrauchte, die er
bei Mr. Hobbs oder aus der Zeitung aufschnappte. Er gebrauchte gern so
lange Wörter und er freute sich
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