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Der kleine Lord

Titel: Der kleine Lord
Autoren: Frances Hodgson Burnett
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dieser
war mehr denn je in Verlegenheit.
    »Danke, danke,« sagte Cedrik, »ich
bin ganz wohl und in meinem Kopfe ist alles in Ordnung, Es thut mir ja
so leid, aber alles, was ich Ihnen gesagt habe, ist wahr, Mr. Hobbs;
deshalb hat mich ja Mary gestern geholt, und Mr. Havisham hat meiner
Mama alles gesagt und er ist ein Advokat.«
    Mr. Hobbs sank in seinen Sessel und trocknete sich die Stirn
mit seinem Taschentuch.
    »Einer von uns beiden hat den Sonnenstich!«
rief er.
    »Nein,« versetzte Cedrik, »sicher
nicht. Wir müssen uns eben drein finden, Mr. Hobbs. Mein
Großpapa hat Mr. Havisham den ganzen Weg von England
herübergeschickt, um uns das alles zu sagen.«
    Mr. Hobbs starrte ganz bestürzt in das unschuldige,
ernsthafte, kleine Gesicht vor ihm.
    »Wer ist dein Großvater?« fragte er
endlich.
    Cedrik griff in seine Tasche und zog mit großer
Sorgfalt einen kleinen Papierstreifen hervor, auf welchem in
großen, unbeholfenen Buchstaben etwas geschrieben stand.
    »Ich habe mir's nicht recht merken können,
deshalb hab' ich's aufgeschrieben,« sagte er und las langsam:
»John Arthur Molyneux Errol Graf Dorincourt! So heißt
er und er wohnt in einem Schloß – in ein paar
Schlössern, glaub' ich. Und mein Papa, der gestorben ist, war
sein jüngster Sohn; und ich wäre kein Graf geworden
und kein Lord, wenn mein Papa nicht gestorben wäre, und mein
Papa wäre auch kein Graf geworden, wenn seine beiden
Brüder nicht gestorben wären. Aber die sind alle tot,
und ist gar keiner da außer mir – kein Junge
– deshalb muß ich der Graf werden, und mein
Großpapa hat jemand geschickt, der mich nach England abholen
soll.«
    Mr. Hobbs schien es immer heißer zu werden, er
wischte seine Stirn und seinen kahlen Schädel und schnaubte
und pustete ganz fürchterlich. Daß hier ein sehr
merkwürdiges Ereignis vorlag, fing an, ihm
aufzudämmern, wenn er dann aber wieder den kleinen Jungen auf
der Biskuitkiste ansah mit den ängstlichen, unschuldigen
Kinderaugen, an dem so ganz und gar nichts verändert zu sein
schien, sondern der ganz der nämliche hübsche,
fröhliche kleine Kerl war in seinem schwarzen
Röckchen mit der roten Krawatte, wie er am Tage vorher auch da
gesessen, so überwältigte ihn diese Geschichte von
Adel und Titeln immer wieder aufs neue, und weil Cedrik sie mit solcher
Einfachheit und Unbefangenheit wiedergab, offenbar ohne sich selbst
einen Begriff von ihrer Tragweite zu machen, steigerte sich seine
Verblüffung immer mehr.
    »Und, und wie hast du gesagt, daß du jetzt
heißest?« fragte Mr. Hobbs.
    »Cedrik Errol, Lord Fauntleroy,« erwiderte
der arme kleine Edelmann. »So nennt mich Mr. Havisham; als ich
ins Zimmer trat, hat er gesagt: ›So, so, das ist also der
kleine Lord Fauntleroy.‹«
    »Da will ich mich doch gleich räuchern
lassen!«
    Dies war eine bei Mr. Hobbs in Fallen großer
Gemütsbewegung sehr beliebte Redewendung, und in diesem
aufregenden Moment fiel ihm eben gar nichts andres ein. Cedrik war auch
weit entfernt, darin etwas Ungeeignetes zu sehen; seine Verehrung und
Bewunderung für Mr. Hobbs waren so fest gegründet,
daß er die Richtigkeit seiner Bemerkungen blindlings
anerkannte, auch hatte er noch zu wenig von Gesellschaft gesehen, um zu
wissen, daß Mr. Hobbs nicht gerade korrekt war. Daß
er ganz anders war als seine Mama, fühlte er freilich, aber
Mama war eben eine Dame, und daß Damen und Herren verschieden
geartete Wesen, war ihm selbstverständlich.
    Er sah Mr. Hobbs sehr ernsthaft an.
    »England ist weit weg, nicht wahr?« fragte
er.
    »Ueberm Atlantischen Ozean drüben,
einfach,« erläuterte Mr. Hobbs.
    »Das ist das Schlimmste an der Sache,« sagte
Cedrik traurig. »Vielleicht sehe ich Sie da lange nicht mehr
– mag gar nicht dran denken, Mr. Hobbs.«
    »Auch die besten Freunde müssen
scheiden,« erwiderte Mr. Hobbs feierlich.
    »Wir sind nun schon viele, viele Jahre Freunde, nicht
wahr?«
    »Seit du auf der Welt bist. Sechs Wochen,
schätz' ich, warst du alt, da machtest du deinen ersten
Ausflug auf die Straße.«
    »Ach,« bemerkte Cedrik mit einem tiefen
Seufzer, »damals dachte ich noch nicht, daß ich
einmal ein Graf werden sollte.«
    »Du meinst also, es sei keine Möglichkeit,
aus der Patsche zu kommen?«
    »Keine, fürcht' ich; Mama sagt, daß
es Papas Wunsch sein würde, daß ich gehe. Aber wenn
ich auch ein Graf sein muß, so bleibt mir doch eins
– ich kann versuchen, ein recht guter zu
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