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Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Titel: Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)
Autoren: Kester Schlenz , Joja Wendt
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Knüppel.

    Die Orgel lachte.

    Da ertönte draußen vor dem Tor plötzlich ein greller, hoher Schrei, begleitet von stampfenden Rhythmen.
    «I’ve Got the Power!», grölte eine Stimme, und dann rasten drei Kästen und eine Mundharmonika fiepend, blinkend und einen Höllenlärm erzeugend in die Halle, direkt auf die Rothaarige und den Riesen zu. Es waren der Sampler, seine Kumpels DX7 und Prophet 5 und Harp, die auf der Ebene viel Anlauf genommen hatten und nun mit gewaltiger Bewegungsenergie den Schergen der Orgel gegen die Köpfe donnerten. Beide fielen wie vom Blitz getroffen ohnmächtig zu Boden, ihre Knüppel rollten durch die Halle und wurden von einigen Instrumenten schnell im hinteren Teil der Halle versteckt.

    Die Orgel war durch die unerwartete Attacke auf ihre Helfer kurz abgelenkt. Der Drang des Feuerballs ließ nach, er wich sogar etwas zurück, sodass der gepeinigte Flügel sich kurz erholen konnte. Doch dann hatte Theodora sich wieder gefasst. «Brennen wirst du!», schrie sie und drückte den Feuerball wieder auf den Flügel zu.
    Doch da ertönte hinter ihm ein heller, durchdringender Ton. Ein Blitz schoss in den Feuerball, und der zerplatzte mit einem lauten Knall.
    Die Orgel starrte überrascht auf jemanden hinter dem Flügel. Der Bann des Auges war gebrochen.
    Der Flügel fuhr herum – und erblickte die Guarneri. Zerbeult, zerschunden, eingeknickt, aber am Leben. Sie hatte den Ton auf einer ihrer verbliebenen Saiten erzeugt und so den Flügel gerettet.
    Neben ihr schwebte ein blaues, sich windendes Etwas – die fehlende Saite der Lyra. Die Guarneri hatte sie aus der Schatulle Theodoras befreit.
    «Ich breche meinen Eid, Erhabene!», schrie die Guarneri. «Ich kann dir nicht länger dienen. Dieser Flügel hat mir die Augen geöffnet!»
    «Dann stirbst du mit ihm!», schrie die Orgel, und im gleichen Augenblick hörte man draußen ein unheimliches Brausen.
    Und schließlich begriff der Flügel. Die Erhabene holte Luft. Gierig sog sie durch ihre Windkanäle Tonnen von Sauerstoff ein, um sich bereitzumachen für ihren gefürchteten tödlichen Strahl aus extrem verdichteter Luft, den sie mit hoher Geschwindigkeit auf ihre Opfer blasen würde.
    Schon hob sie die größte ihrer Pfeifen; das Brausen war nun in der ganzen Halle zu hören, wurde lauter und lauter.
    Die Pfeife pulsierte. Etwas im Inneren der Orgel brach sich mit ungeheurer Wucht Bahn.
    «Öffne deinen Deckel, Flügel», schrie die Guarneri, der das blaue Leuchten im Inneren ihres ehemaligen Gegners nicht verborgen geblieben war.
    Der tat es, und mit einer geschickten Drehbewegung ihres Geigenbogens schleuderte die Guarneri die Saite der Lyra mitten hinein in den Korpus des Flügels. Dann brach die Geige ohnmächtig zusammen. Der Flügel schloss seinen Deckel.
    Die Lyra und ihre fehlende Saite verbanden sich, und blaues, helles Licht umgab den Flügel.
    Die Orgel schoss ihren tödlichen Strahl los. Der Turm erzitterte.
    Der Flügel war dem Tode geweiht. Er würde zerschmettert werden. In Tausenden von Einzelteilen am Boden liegen.
    Der Strahl Theodoras raste auf ihn zu.
    Gleich würde er ihn erreichen.
    Da leuchtete der Flügel von innen heraus in blauem Licht auf – und wurde von der vollen Wucht des Strahls getroffen.
    Doch er wurde nicht zerschmettert. Nicht fortgerissen. Der Flügel strahlte nur gleißend hell, dehnte sich aus, gab ein Brüllen von sich und warf den Strahl komprimierter Luft unmittelbar zurück in Richtung der Orgel.
    Bruchteile von Sekunden später wurde Theodora von ihrem eigenen Luftstrahl frontal getroffen. Es gab einen gewaltigen Knall. Holz splitterte. Metall kreischte. Die Orgel stieß einen grellen Schrei aus. Es knirschte. Verstrebungen barsten. Steine unter ihr brachen. Und dann sahen alle in der Halle, dass das Undenkbare geschah: Theodora, die Erhabene, begann, langsam von ihrem Thron nach hinten zu kippen.
    Es geschah wie in Zeitlupe. Die Orgel riss ihre Pfeifen hoch und versuchte, sich an zwei seitlichen Säulen abzustützen. Aber es war zu spät. Mit ihrem ganzen tonnenschweren Gewicht krachte die grausame Herrscherin donnernd in die hintere Wand des Turmes und blieb regungslos liegen.
    Im gleichen Moment zappelten die Rothaarige und der grobe Kerl am Boden liegend wie Fische in einem Netz, begannen zu flimmern, wurden durchsichtig und verschwanden mit einem Zischen im Nichts.
    Gebannt starrten die Instrumente auf das Szenario. Die Luft war voller Staub. Aus den gekappten Windkanälen der Orgel
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