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Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder
Autoren: Sven Regener
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auf dem Bild von dem Banküberfall so sexy ausgesehen hatte, und deshalb sagte er nun, um Wolli nicht weiterhin diesen Qualen ausgesetzt zu wissen, von denen er, als Wollis Geisel, ihn im Patty Hearstschen Sinne natürlich erlöst wissen wollte, einfach das Nächstbeste, was ihm einfiel:
    “Patty Hearst!«
    »Genau«, sagte Wolli. “Symbionese Liberation Army. Keine Ahnung, was die eigentlich wirklich wollten, da hat ja nun echt keiner durchgeblickt.«
    “Ja, ich auch nicht«, sagte Frank. Man darfWolli nicht unterschätzen, dachte er.
    “Lehnin!« rief Wolli und zeigte in die Dunkelheit, in der ein schmutziges, nichtreflektierendes Hinweisschild auftauchte, »Lehnin! Mit h! Die spinnen doch!«
    Plötzlich waren sie nicht mehr allein auf det Straße. Von hinten kamen Autos, die sie nicht überholten, sondern sich damit begnügten, bis zu ihnen aufzuschließen und Frank im Rückspiegel zu blenden. Und auch vor ihnen tauchte bald eine größere Ansammlung von Autos auf, die wie auf eine Schnur gefädelt auf der rechten Spur dahinkrochen.
    »Warum sind die jetzt plötzlich alle so langsam?« fragte Frank.
    »Da kommt jetzt gleich die Abfahrt«, sagte Wolli und rutschte nervös auf seinem Sitz hin und her, »da kommt gleich die Abfahrt, bloß nicht überholen, da mußt du aufpassen, so ein Schild mit >Transit Westberlin<, das darfst du auf keinen Fall verpassen.«
    Wie um ihn zu bestätigen, fing die Schlange vor ihnen geschlossen an zu blinken, und dann tauchte auch schon das von Wolli angekündigte Schild auf, und sie bogen alle zusammen ab auf eine andere Autobahn.
    »Jetzt sind wir gleich da, jetzt sind wir gleich da«, sagte Wolli.
    »Aber es ist doch überhaupt nichts zu sehen«, sagte Frank.
    »Das ist immer so«, sagte Wolli, »das hat nichts zu sagen. Aber das merkst du ja schon dadurch, wie voll das hier ist, daß wir gleich da sind!« Er starrte unruhig hinaus auf die Straße, mal aus dem Seitenfenster, mal durch die Frontscheibe. »Da kommt auch gleich nochmal ein Schild mit >Transit Westberlin<. Das dürfen wir auch auf keinen Fall verpassen! «
    »Okay«, sagte Frank. Man kann kein neues Leben anfangen und einen wie Woll i dabeihaben, dachte er, während Wolli neben ihm immer mal wieder »Achtung, gleich!« rief, nichts gegen Wolli, dachte Frank, er ist ein netter Kerl, aber man kann froh sein, wenn man ihn jetzt mal ein paar Wochen lang nicht sieht.
    “Jetzt, jetzt!« schrie Woll i wie von Sinnen. “Jetzt raus hiet, raus hier, Transit!«
    Frank nahm die Ausfahrt nach Westberlin. Oder was Wolli dafür hielt. Denn sie gelangten zwar auf eine andere Autobahn, aber von der Stadt war immer noch nichts zu sehen.
    »Ich mein, Wolli, ich war ja noch nie in Berlin, aber das ist doch so eine große Stadt, warum sieht man denn davon nichts?«
    “Das ist immer so«, sagte Woll i, “da kommt gleich erstmal der Grenzübergang.«
    “Den sehe ich auch nicht«, sagte Frank.
    “Der kommt aber«, beharrte Wolli. “Der muß ja kommen. Die können den ja nicht plötzlich abgebaut haben.«
    Der ist ziemlich mit den Nerven fertig, dachte Frank, und er selbst, soviel war mal klar, war das mittlerweile auch. Neues Leben hin, neues Leben her, dachte er, es sollte nicht mit der Fahrt durch einen langen, dunklen Tunnel beginnen.
    Oder vielleicht doch, dachte er, als in der Ferne die hell strahlende Grenzkontrollstelle auftauchte wie ein frisch gelandetes Raumschiff. Oder vielleicht gerade doch.
2.  TUBASPIELEN
    »Mann, bin ich froh, daß wir endlich da sind«, sagte Wolli, als sie heil und unverhaftet aus dem Grenzkontrollpunkt Dreilinden in den Westen rollten.
    »Wieso da?« sagte Frank. Die Autobahn war zwar neuerdings beleuchtet, aber sie fuhren durch dunkle Wälder. »Das sieht hier nicht gerade nach da sein aus, ich meine, das kann ja wohl nicht Berlin sein!«
    »Das geht jetzt ganz schnell«, sagte Wolli, »das ist gleich vorbei mit dem Wald.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja, logo«, sagte Wolli. »Ich kenn das hier ganz genau. Ich war schon oft hier.«
    »Wie oft?«
    »Oft, keine Ahnung, sogar früher mal mit dem KBW.«
    »Warum das denn?«
    »Wegen den Soldaten- und Reservistentagen. Da sind wir Kolonne gefahren. Das hat vielleicht gedauert …«
    »Soldaten- und Reservistentage? Beim KBW?«
    »Nee, eigentlich waren es die Musiktage der Soldaten-und Reservistenkomitees, die gehörten zum KBW, das war so mit Spielmannszug, ich war da im Spielmannszug.«
    »Im Spielmannszug? Was hast du da denn
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