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Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder
Autoren: Sven Regener
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vorne alles verrammelt. Ich weiß auch gar nicht, wer da vorne drin wohnt, wußte ich mal, Künstler oder so, meine Leute sind im Hinterhaus.«
    »Aber da ist kein einziges Fenster erleuchtet«, sagte Frank.
    »Vielleicht ist da ja gar kein Fensterglas drin«, sagte Wolli. »Vielleicht mit Brettern zugemacht oder sowas. Ist ja bald Winter.«
    »Ach so«, sagte Frank. »Ich kann da überhaupt nichts erkennen!« Es war überhaupt alles sehr dunkel hier, nicht nur das besetzte Haus, vor dem sein Auto, vorsichtshalber mit Warnblinklicht, in der zweiten Reihe parkte, sondern überhaupt die ganze Straße, von der man fast nur die Straßenlaternen erkennen konnte. So geht’s natürlich auch, dachte Frank, daß man Straßenlaternen aufstellt, die nur dafür gut sind, sich selbst zu beleuchten. Er stellte die Warnblinkanlage wieder aus, die kam ihm hier irgendwie hysterisch vor.
    »Ja«, sagte Wolli. »Man kommt auch nur durch den großen Eingang hintenrum, also über den Hof… « Er verstummte. Es schien nicht so wichtig zu sein. Oder gerade im Gegenteil, dachte Frank, wer weiß das schon. Und er
    fragte sich, wie lange Wolli wohl noch so in seinem Auto sitzen und kryptische Ansagen machen wollte. »Und bist du sicher, daß deine Kumpels da noch wohnen? Ich meine, wie lange warst du nicht mehr hier? Die räumen diese besetzten Häuser doch auch mal und so.«
    »Nix«, sagte Wolli, »habe ich immer genau alles gelesen, wo die geräumt haben und so, und die Naunynstraße war nicht dabei.«
    »Naja, da geht’s ja dauernd hin und her, da übersieht man sowas schon maL«
    »Nee«, sagte Wolli und starrte in die Dunkelheit. »Da ist alles in Ordnung. Da ist auch noch das Transparent dran.«
    »Was steht da eigentlich drauf, das kann man jetzt ja gar nicht lesen, so dunkel wie das ist!«
    »Das haben die Typen aus dem Vorderhaus aufgehängt, das ist so eine Künstlergruppe, das sind Arschlöcher.«
    »Und was steht auf dem Transparent?«
    »Irgendeine Kunstkacke! «
    »Ach so!«
    »Irgendwas mit Oktopus.«
    »Gut«, sagte Frank ermunternd. »Wir sind jedenfalls da.«
    »Ja.«
    »Soll ich mit reinkommen?« sagte Frank, um es Woll i leichter zu machen.
    »Nee, laß mal«, sagte Wolli. »Ich meine, so wie du aussiehst…«
    »Wie ich aussehe? Wie sehe ich denn aus?«
    »Nur so, ich meine, du kannst ja nichts dafür, aber mit dem Haarschnitt …!« Wolli drehte sich wieder eine Zigarette. »Die denken ja am Ende noch, du bist ein Zivilbulle.«
    »Danke, Wolli«, sagte Frank. Da fährt man ihn einmal
    um die halbe Welt und über zwei Grenzen, hört sich sein Gelaber an, und dann wird man auch noch beleidigt, dachte er. »Vielen Dank. Aber weißt du was, Wolli?«
    »Was denn?« fragte Wolli ungerührt.
    »Wenn ich ein Zivil bulle wäre, dann würde ich nicht so aussehen wie ich. Ich meine, das wäre doch ziemlich bescheuert, wenn ein Zivilbulle Haare hätte wie einer, der gerade aus der Bundeswehr kommt, das wäre ja nun nicht gerade der Sinn des Zivilbulleseins, oder?«
    »Keine Ahnung«, sagte Wolli.
    »Wenn ich Zivilbulle wäre, würde ich mich wie ein Punk anziehen. So wie du, Wolli!«
    »Wieso sagst du das?«
    »Weil’s stimmt. Genauso würde ich’s machen.«
    »Hm …« Wolli war nicht beleidigt, er dachte nach. »Das war schon im KBW immer komisch, die Frage, wer da wohl die Spitzel waren … «
    »Willst du da jetzt eigentlich reingehen, Woll i, oder lieber nicht? Ich meine, das ist ja alles ganz interessant, aber ich muß jetzt auch bald mal zu meinem Bruder, der weiß ja gar nicht, daß ich komme, das macht mich dann schon ein bißchen nervös.«
    »Hat der auch kein Telefon?«
    »Doch, aber da kam immer so >vorübergehend nicht erreichbar.«
    »Das ist schlecht, dann hat er nicht bezahlt.«
    »Keine Ahnung, ist eine WG, wo er wohnt. Keine Ahnung, wer da nicht bezahlt hat. Muß ja nicht mein Bruder gewesen sem.«
    »Ach so.«
    Woll i steckte sich die Zigarette an und öffnete die Wagentür. Die Luft draußen war kalt und trocken und hatte einen scharfen, schwefligen Geruch. Woll i stieg aus, klappte die Lehne des Beifahrersitzes nach vorn und holte seine Tasche vom Rücksitz. Dann klappte er die Lehne wiedet zurück und schaute noch einmal zu Frank in den Wagen hinein.
    »Viel Glück, Frankie«, sagte er. »Und vielen Dank für alles!«
    »Nichts zu danken«, sagte Frank. »Vielleicht sehen wir uns ja maL«
    »Ja«, sagte Wolli und warf die Tür zu.
    Frank startete den Wagen, schaltete den Scheinwerfer ein und fuhr schnell
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