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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)
Autoren: Elisabeth Büchle
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Gerahmte Bilder, eine zerbrechlich wirkende Lampe und zarte Glas- und Porzellanfiguren auf einer Anrichte vervollständigten das Bild eines ausgesprochen vornehmen Raumes. Dieses Zimmer überstieg bei Weitem das Maß an Komfort, das Norah gewohnt war.
    Jemand hatte es während ihrer Abwesenheit übernommen, ihren Koffer auszupacken. Ein Nachthemd lag griffbereit auf dem Hocker neben dem Bett, ihre Waschutensilien standen neben der Emailleschüssel und dem Wasserkrug und ihr zweites Paar Schuhe befand sich frisch geputzt in einer kleinen Nische neben der Tür.
    „Fräulein Casey, die Herrschaften erwarten Sie zur Abendmahlzeit. Herr Bokisch und seine Familie sind ebenfalls anwesend“, erklärte die Bedienstete und machte Norah damit diskret darauf aufmerksam, dass sie ihre Zeit nicht vertrödeln sollte. Dabei sprach auch sie sehr langsam und überdeutlich.
    Norah betrat endlich den Raum, der für die nächsten zwei Wochen ihr Zuhause sein würde. „Kann ich Ihnen noch bei etwas behilflich sein?“, fragte die ältere Frau und Norah drehte sich nach ihr um.
    „Wie heißen Sie?“
    „Margarete.“
    „Vielen Dank, Margarete, ich komme schon zurecht.“
    Noch einmal betrachtete sie die vornehme Ausstattung des Raumes, bevor sie den Schrank öffnete, in dem ihre wenigen mitgebrachten Kleidungsstücke seltsam verloren wirkten. Ohne lange zu überlegen zog sie ihr Sonntagskleid hervor und wusste doch, es würde – gemessen an der Robe, die Betty getragen hatte – bei Weitem nicht den Ansprüchen der Familie Welte gerecht werden. „Da werde ich wohl etwas aus dem Rahmen fallen“, murmelte sie. Niemand, der ihre Worte gehört hätte, hätte sie für das gehalten, was sie waren: ein Stoßgebet um Gelassenheit.

Kapitel 3
    Richard nahm die letzten knarrenden Stufen zu seiner kleinen Wohnung ausgesprochen langsam in Angriff. Im Grunde war er nicht empfindlich, doch diese knappe Stunde mit dem irischen Mädchen hatte ihn erschöpft. Woran das lag, wusste er nicht. Vielleicht an dem Tempo, mit dem sie ihre Fragen abschoss und von einer Aktivität zur nächsten wechselte, wobei sie ihm immer einen Schritt voraus gewesen war? Oder hatte es mit der Tatsache zu tun, dass er sich gelegentlich über sie geärgert hatte, sich das aber nicht hatte anmerken lassen dürfen? Jedenfalls war er sich sicher, noch nie zuvor ein vergleichbares Energiebündel kennengelernt zu haben – mit Ausnahme vielleicht von der Gans seiner Großmutter, die ihn immer quer über den ganzen Hof verfolgt hatte.
    Ein Grinsen legte sich auf Richards Gesicht. Dieser Vergleich war für Norah nicht gerade schmeichelhaft. Bevor er die Wohnungstür öffnete, zog er seine Schuhe aus und stellte sie ordentlich in das neben dem Treppenabsatz stehende Schuhregal.
    Er angelte den großen Wohnungstürschlüssel aus der Tasche seines Jacketts und schloss auf. Wie immer, wenn er die Tür öffnete, ertönte ein lautes Knarren, das durch das schmale, dunkle Treppenhaus hallte, und wie immer ging fast zeitgleich die Wohnungstür ein Stockwerk tiefer auf.
    „Guten Abend, Herr Martin!“, rief die Stimme einer älteren Dame zu ihm hinauf.
    „Guten Abend, Frau Schnee“, erwiderte er, obwohl er seine Nachbarin nicht sehen konnte.
    „Hatten Sie einen guten Tag?“, hallte es nach oben.
    „Danke, ja. Und Sie?“
    „Meine Knie … Sie wissen ja.“
    „Das tut mir leid, Frau Schnee. Ich hoffe, morgen sind die Schmerzen erträglicher.“
    Richard formte mit den Lippen tonlos die nächsten Worte mit: „ Ja, bestimmt. Vielen Dank. Einen guten Abend wünsche ich Ihnen .“
    „Ihnen auch, gute Nacht.“
    Richard wartete, bis sich die Tür unten schloss, bevor auch er in seine Wohnung trat und seine Tür geräuschvoll hinter sich zuschob. Er schlüpfte aus seinem Jackett und schüttelte es einmal kräftig aus. Prüfend betrachtete er es, und als er feststellte, dass es noch sauber und kaum zerknittert war, hängte er es sorgfältig auf einen Bügel in seiner kleinen Garderobe. Auf Strümpfen betrat er seine winzige Küche, die eine so starke Dachschräge aufwies, dass er nur direkt an der Tür aufrecht stehen konnte. Er goss Wasser in einen Kessel, entzündete den Gasherd und ging dann hinüber in das Wohn- und Schlafzimmer. Mit einem tiefen Seufzen ließ er sich auf die Couch fallen und streckte seine Beine weit von sich. „Was für ein Tag!“, murmelte er leise und schloss für ein paar Minuten die Augen.
    Von seiner täglichen und von ihm sehr geschätzten Routine würde
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