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Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Träumen.
    Wie aber kommt ein Knoten in einen weggewehten Schal?
    Es war nun schon das neunte Mal, daß Thekla Freifrau von Sahlfelden – Anrede Frau Baronin – mit dem Luxusdampfer die Ozeane befuhr. Kaum einen Winkel der Welt gab es, den sie nicht kannte; fast keinen Hafen, in dem sie nicht gelandet war – ob Singapur oder Shanghai, Lahaina auf Maui oder Papeete auf Tahiti. Die Osterinsel war ihr so vertraut, wie Tonga oder Fidschi, und ob Neuseeland oder Mombasa, Aden oder Ushuaia auf Feuerland, La Guaira oder Guayaquil – Baronin von Sahlfelden war überall gewesen. Sie war jetzt zweiundsiebzig Jahre alt, rüstig wie eine gute Fünfzigjährige, unverwüstlich, bei allen Landausflügen immer an der Spitze der Touristengruppe, gefürchtet wegen ihrer kritischen Bemerkungen und bewundert und beneidet von den anderen Damen, die im gleichen Alter bei etwas längeren Exkursionen erschöpft in den Bussen hockten und über die Anstrengung des Programms meckerten, während ›die Baronin‹, mit Kamera und Fernglas bewaffnet, nicht genug kriegen konnte.
    Warum sie alles, was sie schon vier- oder fünfmal gesehen hatte, trotzdem immer wieder fotografierte, und was sie mit den Fotos machte, war ein Rätsel. Wer sie diskret danach fragte, bekam die Antwort:
    »Ich schicke die Fotos rum, durch die ganze Verwandtschaft, damit sie sich darüber ärgert, wie ich die ganze Erbschaft verprasse. Macht das eine Freude!«
    Erwähnt werden muß, daß es Baronin von Sahlfelden kaum noch gelingen konnte, das riesige Erbe, das ihr Mann hinterlassen hatte, zu verprassen. Ihm – und jetzt ihr – gehörten Anteile an amerikanischen Konservenfabriken und Papierherstellern, man sprach von einem Barvermögen in Höhe von 32 Millionen Dollar, die Beteiligungen nicht hinzugerechnet, über die selbst die auf das Erbe wartende Verwandtschaft keine klaren Vorstellungen hatte. Seit dem Tode des Barons lebte Thekla vornehmlich in Deutschland; in Amerika hatte sie sich nie wohl gefühlt von dem Tage an, als ihr in Texas auf einer Ranch ein Cowboy ins Gesicht gespuckt hatte. Dieses unästhetische Erlebnis verband sie nun mit ganz Amerika und betrachtete jeden Amerikaner als Flegel. Legte ein Schiff in einem amerikanischen Hafen an, blieb sie an Bord und verzichtete auf die Landausflüge. Sie saß dann auf dem Sonnendeck, blickte hinüber zu den Wolkenkratzern – keine amerikanische Stadt ohne Wolkenkratzer –, trank Cocktails oder einen lieblichen Wein und erinnerte sich wieder an den spuckenden Cowboy.
    Es war ein lebenslanger Fluch, von Baronin von Sahlfelden gehaßt zu werden.
    Ein Lieblingsplatz auf allen Schiffen war für sie eine windgeschützte, schattige Ecke auf dem Sonnendeck, wo sie allein mit ihrem Liegestuhl war und dennoch das ganze Deck, das Schwimmbecken und die Außenbar beobachten konnte. Die Deckstewards waren darauf gedrillt, ihr diesen Platz freizuhalten und jeden Morgen den Liegestuhl mit Schaumgummiauflage und zwei Frotteetüchern herzurichten. Das war zwar verboten – keine Reservierung von Liegestühlen –, aber die Schiffsführung drückte bei der Baronin beide Augen zu, und der Obersteward Victor überwachte höchstpersönlich die Bereitstellung des Liegestuhls.
    Man muß dies alles wissen, um jenes Ungeheuerliche zu begreifen, das auf dieser Reise geschah.
    An diesem Morgen lag die Baronin wie immer auf ihrem Liegestuhl und las ein Buch. Sie trug einen einteiligen, diskret gemusterten Badeanzug, was wiederum den blanken Neid der anderen Damen herausforderte. Mit ihren zweiundsiebzig Jahren hatte Thekla wirklich noch eine Figur, die sich sehen lassen konnte: keine faltige, schlaffe Haut, kaum sichtbare Altersflecken, wohlgeformte Beine, einen flachen Bauch und sehnige Oberschenkel. Dazu eine Brust, bei der man verstehen konnte, daß der Baron bis ins hohe Alter von 83 Jahren noch aktiv gewesen war, bis er an einer dummen Bronchitis starb – ein Tod, den Thekla lange nicht begriff.
    So kannte man sie auf diesem Schiff und auf anderen Schiffen: unnahbar, von einer hoheitsvollen Ausstrahlung, eine begeisterte Schwimmerin, kultiviert bis in die lackierten Fuß- und Fingernägel, stolz, wenn sie ein Shuffleboard-Spiel auf dem Sportdeck gewonnen hatte oder voll kindlicher Freude, wenn sie beim Bingo zwanzig Mark kassieren konnte.
    Zu ihrem kulturbewußten Leben paßte nicht ganz, was sie im Liegestuhl las. Kriminalromane. Oder Konsalik. Über Konsalik ärgerte sie sich besonders, weil er manchmal in einer derben Sprache
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