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Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bank gewesen sein. Und dann tritt sie wieder an die Reling, um die Sterne zu bewundern. Ich gehe zu ihr, nehme sie in die Arme, und sie sagt: Ah! Luft! Frische Luft! – Genauso war es: Sie wirft den Schal zur Seite, nach links – und links gleich neben der Tür steht die Bank. Und jetzt ist die Bank leer. Fazit: Da stimmt etwas nicht!
    »Er muß weggeweht sein!« sagte Ahlers bestimmt. »Etwas anderes ist ja gar nicht möglich. Wir sind völlig allein auf Deck. Lotti, den Ausreißer finden wir schon.«
    Er blickte sich nach allen Seiten um, ging das Promenadendeck hinab, bückte sich bei allen Bänken, aber es war nur, um irgend etwas zu tun; denn wenn es auf einem Schiff etwas gab, das leer und mit einem Blick zu erfassen war, dann war es ein nächtliches Promenadendeck.
    »Nichts!« rief er, als er zurückkam und unter einem aufgerollten Fallreep, das zur Rettungsausrüstung gehörte, stehenblieb. »Der wilde Ozean hat ihn verschluckt. Kauf dir morgen in der Boutique einen neuen.«
    Er blickte nach oben, ganz zufällig, und klatschte in die Hände. Über ihm, an einem der Schwenkarme, an denen die Rettungsboote hingen, hatte der Seidenschal sich verwickelt. Im schwachen Wind wehte er träge auf und ab.
    »Was ist?« rief ihm Lotte zu. »Warum klatschst du in die Hände?«
    »Ich begrüße unseren Ausreißer! Da ist er. Da oben am Rettungsboot. Also doch der Wind!«
    Er wartete, bis Lotte zu ihm gelaufen kam und zeigte nach oben auf die Davits.
    »Das ist er wirklich«, sagte Lotte. Ein Zögern lag in ihrer Stimme. Mit den Augen maß sie die Strecke von der Bank bis zu den Rettungsbooten und schüttelte den Kopf. »Das begreife ich nicht. Das begreife ich einfach nicht.«
    »Ich sag's ja.« Ahlers legte den Arm wieder um ihre Schulter. »Das himmlische Kind, der Wind. Heute haben wir's mit dem Himmel, Schatz …«
    »Und was nun, Peter?« Lotte Ahlers begann zu frieren. Der Nachtwind war nun kühler geworden, das Schiff durchpflügte die Bali-See und fuhr mit 19 Knoten fast seine Höchstgeschwindigkeit. »Mir wird kalt. Laß uns unter Deck gehen.«
    »Sofort. Ich hol ihn dir.«
    »Den Schal?« fragte sie entsetzt.
    »Was sonst.«
    »Von da oben?«
    »Natürlich. Bevor er richtig von Bord weht.«
    »Aber du kannst doch nicht über die Rettungsbootskräne …«
    »Sie heißen Davits, mein Schatz.«
    »Mir ist wurscht, wie sie heißen. Du kannst doch nicht über sie zu dem Schal kriechen. Das kann ein Matrose machen. Wir melden das jetzt sofort dem Obersteward, und der wird alles veranlassen.«
    »Ich habe im Abitur eine Eins im Turnen gehabt.«
    »Das ist achtundzwanzig Jahre her, Peter.«
    »Auf der Universität war ich eine Sportskanone.«
    »Und jetzt bist du mein Mann, Vater von zwei Kindern, wiegst 183 Pfund und kletterst nicht auf die Rettungsboote!«
    »Und ob!« Peter Ahlers fühlte sich plötzlich in den Möglichkeiten seiner männlichen Aktivität verkannt und unterschätzt. Er schob Lottis Hand von seinem Smokingärmel, blickte noch einmal hinauf zu dem Davit, an dem der Schal hing, und ging auf die schmale Treppe zum Deckgang zu, an der an einer Kette ein Schild hing: BITTE NICHT BETRETEN. Nur der Mannschaft war es erlaubt, diese Treppe zu benutzen. Sie führte auf einen schmalen Gang entlang der ganzen Schiffswand, hinter der die Kabinen der Offiziere lagen. Die Fenster waren dunkel und verhangen; die Offiziere tanzten noch im Ballsaal oder in der Bar oder schliefen, wenn sie frühmorgens die diensthabenden Offiziere der Nachtwache ablösen mußten.
    »Komm zurück, Peter!« rief Lotti und lief hinter ihm her. »Das kannst du doch nicht!«
    Man darf einem Mann nie sagen, daß er etwas nicht kann – er tut es dann gerade. Ob gut oder schlecht, das spielt zunächst keine Rolle. Wichtig ist nur der Beweis, daß man es kann. Aber so etwas lernen Ehefrauen auch nach 24 Jahren Ehe nicht. Peter Ahlers überstieg die Kette mit dem Sperrschild und blieb nur kurz auf der vierten Stufe der steilen Treppe stehen, als Lotto ihm zurief:
    »Komm zurück, Peter … oder ich schreie!«
    »Willst du einen Skandal? Du machst dich ja lächerlich. In fünf Minuten hast du deinen geliebten Schal wieder.«
    »Ich verzichte drauf! Soll er doch wegfliegen!«
    »Nicht, solange ich ihn im Auge habe.«
    Nach dem romantischen Anhimmeln der Sterne war nun der eheliche Umgangston einer 24jährigen Ehe wieder erreicht. Verbissen stieg Ahlers die Treppe hoch, tastete sich den schmalen Gang bis zu dem Davit entlang, an dem der Schal
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