Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
über den ganzen Kopf.
    »Man sieht's!« lachte sie. »Ja, so ist das bei uns, Peter. Wir gehören nicht mehr zu den jungen Hüpfern.«
    »Aber wir nehmen es noch mit jedem auf! Mit meinem Sohn allemal; nach zehn Minuten Tennis wackeln ihm die Knie … Lotti, weiß du noch, wie wir eine Stunde durchspielen konnten?«
    »Vor fünfzehn Jahren, Peter.« Sie schmiegte sich an ihn, als er den Arm um sie legte und an sich zog. »Ist das schön …«
    »Was? Die Erinnerung?«
    »Nein.« Sie nickte in die Weite. »Welch ein himmlischer Himmel!«
    »Himmlischer Himmel.« Peter gab Lotti einen Kuß. »Das habe ich noch nie gehört.«
    »Es ist ein Himmel, der so ist, wie man ihn sich vorstellt, wenn man himmlisch sagt. Diese unzählbaren Sterne, dieses Glitzern! Je länger man hinsieht, um so mehr Sterne werden es. Immer neue leuchten …«
    Sie schloß einen Moment die Augen und schien den Worten nachzuträumen. Das machen wir jetzt jedes Jahr, dachte Peter Ahlers. So eine große Seefahrt. Das verändert uns, das verjüngt uns. Das ist, als ob man die Zeit anhalten könnte. Ich habe nie begriffen, wenn jemand sagte: Die See macht süchtig. Jetzt verstehe ich ihn. Über die Meere zu fahren, heißt, ein Teilchen der Unendlichkeit zu begreifen. Die Schönheit unserer Welt erfassen zu können. Am Ende unserer Tage sagen zu dürfen: Dieser Erdball ist das Faszinierendste im ganzen Weltall.
    »Wenn man bedenkt«, sagte er und streichelte ihre glatte, nackte Schulter, »daß das Licht der Sterne, die du jetzt siehst, Millionen Jahre braucht, um zu uns zu kommen … wie unendlich ist dieser Himmel und wie erbärmlich klein ist dagegen der Mensch … Und er nimmt sich so wichtig!«
    Sie nickte, legte ihm den Zeigefinger auf den Mund und blickte wieder hinauf in den Himmel. »Psst! Sag jetzt kein Wort, sei ganz still. Schau nur in diese Unendlichkeit … Was fühlst du?«
    »Dich. Nur dich.«
    »Banause!«
    »Ich sag dir ja: Der stimulierende Jodgehalt der Meeresluft …«
    Sie lachte wieder, stieß sich von ihm ab und hob etwas die Schultern. »Hol mir bitte den Schal, Peter. Es ist doch besser, ich leg ihn um, ehe ich mich erkälte. Mein Gott, wir haben getanzt wie die Wilden.«
    Peter Ahlers drehte sich um, ging zur Bank und blieb nach einem Schritt stehen. Die Bank war leer.
    »Wo ist er denn?« fragte er.
    »Wer?«
    »Der Schal.«
    »Vor dir auf der Bank.«
    »Da liegt kein Schal, Lotti.«
    »Aber Peter … sieh doch genau hin.«
    Peter Ahlers blickte wieder auf die leere Bank, schüttelte den Kopf und kam zu Lotte an die Reling zurück.
    »Auch wenn mich die Schönheit der Sterne blendet«, sagte er, »blind bin ich noch nicht. Da ist kein Schal.«
    »Ach, Peterchen!« Lotte Ahlers drehte sich um, wollte auf den Schal zeigen, aber auf halber Höhe blieb ihr Arm stehen. Sprachlos starrte sie auf die leere Bank, ging dann auf sie zu und fuhr mit der Hand über die lackierte Sitzfläche. »Hierhin, genau hierhin habe ich ihn gelegt. Begreifst du das? Er ist weg.«
    Peter Ahlers mußte lächeln. Wie immer, dachte er. Da stellt sie ihre Handtasche in das Frühstückszimmer und ruft dann: Peter, kannst du mir mal die Tasche bringen … sie liegt im Schlafzimmer. Oder sie sucht ihre Handschuhe, weiß genau, daß sie im karierten Mantel stecken müssen und findet sie dann nach langem Suchen im Einkaufskorb. Sie sucht eigentlich immer irgend etwas und findet es dann an völlig entgegengesetzten Orten.
    »Der Wind wird ihn weggeweht haben«, sagte er fröhlich. »Der Wind, der Wind, das himmlische Kind. So ein leichter Seidenschal …«
    »Ich weiß genau, daß ich ihn hier auf die Bank gelegt habe!« rief sie trotzig wie immer, wenn sie etwas suchte. »Und außerdem haben wir doch gar keinen Wind, Peter. Es ist ja fast windstill!«
    »Du hast recht.« Peter Ahlers befeuchtete seinen Daumen mit der Zunge und hielt ihn hoch, eine alte, bewährte Methode, um einen Hauch von Luft zu spüren. »Wirklich. Kaum spürbar. Da kann nichts wegwehen.«
    »Das sag ich ja. Aber der Schal ist weg.«
    »Merkwürdig.«
    »Mehr als merkwürdig, Peter!«
    Sie sahen sich ratlos an und wußten im Augenblick keine Erklärung. Rekapitulieren wir mal, dachte Ahlers. Denken wir analytisch; da bin ich ja als Chemiker zu Hause. Wir haben getanzt und sehnten uns nach frischer Luft. Wir gehen auf das Promenadendeck. Ich stoße die Tür auf, lasse Lotti zuerst auf Deck, folge ihr und sehe, wie sie den Schal von der Schulter nimmt und zur Seite wirft – das muß die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher