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Der Kirchendieb

Der Kirchendieb

Titel: Der Kirchendieb
Autoren: Claudia Frieser
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den
     feuchten, dusteren Keller hinab. Wie sie die Spinnweben hasste, deren Fäden sich immer wieder im Gesicht verfingen. Vor der
     zweiten Tür blieb sie stehen. Schluchzer waren aus der Wohnung zu hören. Sofort schnürte sich Johannas Brust zusammen. Was
     war passiert? Mit zitternder Hand öffnete sie die Tür.
    Die Wohnung bestand aus nur einem Raum. Drei Betten, eine Truhe mit der wenigen Habe und ein Tisch mit wackeligen Hockern
     waren das einzige Mobiliar. Auf dem Lehmboden war Heu ausgelegt, um den Geruch zu verbessern. Aber es roch trotzdem feucht
     und modrig. Sah man genau hin, entdeckteman sogar die Hinterlassenschaften von Mäusen und anderen unwillkommenen Mitbewohnern. Tageslicht drang kaum durch das schmale
     Fernster unter der niedrigen Decke.
    Johannas Blick fiel auf ihre Mutter. Auf ihrem Gesicht lagen die zierlichen Hände, Schluchzer beutelten ihren schmächtigen
     Körper. Simon und Anton drückten sich ängstlich an sie und weinten ebenfalls. Nur Gero kauerte wie versteinert in der Ecke
     des Raumes und schwieg. Sein Gesicht war gerötet und vom vielen Weinen verquollen.
    »Was ist passiert?«, fragte Johanna entsetzt.
    »Oh Johanna-Kind!«, schluchzte ihre Mutter und schaute zu ihr auf. Johanna erschrak bei dem Anblick. »Vater ist verunglückt.
     Vom Gerüst gefallen«.
    Wie gelähmt stand Johanna da. Konnte kaum glauben, was sie hörte. Ihr Blick fiel wieder auf Gero.
    »Bist du dabei gewesen? Hast du den Unfall gesehen? Wo ist Vater jetzt?«
    Doch ihr Bruder blieb weiter stumm. Nur ein zartes Nicken ließ Johanna wissen, dass Gero alles mit angesehen hatte.
    Sie lief zu ihm und nahm ihn in den Arm. Wie eine Mutter ihr kleines Kind wiegte Johanna ihn beruhigend hin und her.
     
    Zwei Wochen waren seit dem Tod des Vaters vergangen. Die Trauer um ihn war der Sorge gewichen, die Familie satt zu bekommen.
     Gero half weiterhin auf der Dombaustelle aus und Johannas Mutter nähte Tag und Nacht. Doch das Geld reichte einfach nicht
     aus. Für die drei jüngeren Kinder bekam die Mutter ein Almosen von der Kirche. Doch Johanna war mit ihren zehn Jahren schon
     alt genug, um für sich selbst zu sorgen.
    Soeben hatte Johanna einen wunderschönen, von ihrer Mutter selbst genähten Umhang einer wohlhabenden Kundin gebracht und dafür
     etwas Geld bekommen. Zufrieden rannte sie nach Hause. Die reiche Bürgersfrau hatte nämlich noch etwas dazugegeben, weil ihr
     die Arbeit so gut gefallen und sie Mitleid mit der Familie hatte. Und so befand sich in Johannas Beutel mehr Geld als erwartet
     und ein riesiger Laib Brot. Aufgeregt hüpfte sie die Kellertreppe hinunter und öffnete die Tür.
    »Mutter! Sieh mal, was ich mitbringe! Heute Abend werden wir uns richtig satt essen.«
    Ihre Mutter lächelte nur schwach. »Johanna-Kind, setz dich zu mir. Ich muss mit dir reden.«
    Die Ernsthaftigkeit, mit der ihre Mutter dies sagte, machte Johanna Angst. Schweigend legte sie dasBrot und das Geld auf den Tisch und nahm auf einem Hocker Platz. Während ihre Mutter sprach, sagte Johanna kein Wort. Auch
     danach nicht. Sie vergoss nicht eine einzige Träne. Vielleicht, weil sie es schon erwartet hatte.
    »Wann?«, fragte Johanna nur.
    »Gleich morgen früh bringe ich dich hin«.
    In der Nacht machte Johanna kein Auge zu. Nicht einmal das gleichmäßige Atmen ihres Bruders, mit dem sie das Bett teilte,
     beruhigte sie. Die Kirche hatte für Johanna Arbeit und eine Bleibe gesucht und diese gefunden. Die reiche Kaufmannsfamilie
     Stolzenberg würde sie als Magd aufnehmen. Ab morgen würde sie dort arbeiten und auch wohnen. So musste sich ihre Mutter nur
     noch um drei Kinder sorgen.
    »Dir wird es dort gut gehen, Johanna-Kind. In einem solchen Haus gibt es reichlich zu essen, und wenn du krank wirst, wird
     dein Herr sicher einen Arzt kommen lassen«.
    Du hast leicht reden, dachte Johanna. Ihre Mutter hatte ja keine Ahnung von dem Krieg zwischen ihrer Bande und der
Gilde
. Und ausgerechnet Andreas, deren Anführer, war der Sohn ihres neuen Herren. Die Sache von vor zwei Wochen wird er ihr gewiss
     heimzahlen. Da war sich Johanna sicher.

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    Veränderungen

    Mit dem ersten Sonnenstrahl wurde Johanna geweckt.
    »Wasch dich gründlich und zieh bitte dein Sonntagskleid an. Die Herrschaften sollen nicht denken, dass sie sich ein stinkendes
     Gossenkind ins Haus geholt haben. Wir sind vielleicht arm, aber nicht schmutzig!«, scherzte ihre Mutter und schickte Johanna
     zum öffentlichen Brunnen, um Wasser zu holen.
    Das
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