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Der Kirchendieb

Der Kirchendieb

Titel: Der Kirchendieb
Autoren: Claudia Frieser
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Blick fiel auf Johanna. Sie wusste sofort, dass er es bereute, sie nicht
     sofort getötet zu haben. Dann aber floh der Schulmeister schon Richtung Stadt, vorbei an Groß St. Martin, über den Alten Markt
     weiter Richtung Norden. Johanna folgte ihm umgehend. Immer wieder stieß sie mit Passanten zusammen, aber nicht einmal ließ
     sie den Schulmeister aus den Augen. Die Wut auf ihn und darüber, was er ihr antun wollte, verlieh ihr ungeahnte Kräfte. Sie
     rannte wie der Teufel. Andreas und die anderen blieben immer dicht hinter ihr. Nur der Büttel und Stolzenberg hatten Mühe
     mitzuhalten.
    Vor ihr ragte schließlich der unvollendete Dom auf, prächtig und unvorstellbar hoch erhob sich der fertige Domchor, in dem
     die Heiligen Könige aus demMorgenland ruhten. Viele Tausende Pilger aus der ganzen christlichen Welt kamen Jahr für Jahr hierher. Obwohl nun schon seit
     zwei Jahrhunderten an diesem gewaltigen Gotteshaus gebaut wurde, war es noch immer eine Baustelle. Zahlreiche Handlanger,
     Steinmetze und Maurer hasteten geschäftig umher, bemüht, einen der Türme gen Himmel emporstreben zu lassen. Angeblich sollten
     sie so hoch werden, dass sie den Himmel berühren können. Johanna sah zu den Gerüsten hinauf. Hatte ihr Vater dort oben gearbeitet?
     War er von so hoch oben in die Tiefe gestürzt? Andreas riss Johanna aus ihren Gedanken.
    »Komm schon! Er ist in das Turminnere geflohen.«
    Sofort war Johanna wieder bei der Jagd nach dem Mann, der ihren Tod in Kauf genommen hatte. Sie lief in den offenen Turm hinein.
     Er wirkte von innen noch größer. Überall lagen zum Teil kunstvoll behauene Steinquader herum. Männer in riesigen Laufrädern
     trieben Kräne an, die die schweren Steine nach oben an ihren vorgesehenen Platz beförderten. Das unermüdliche
Pling!
der spitzen Hämmer der Steinmetze hallte von der Dombauhütte herüber.
    »Da hinten!«, rief Claeß und deutete auf Zenker, der gerade einen Tagelöhner zur Seite stieß.
    Johannas Blick wanderte von dort nach oben. War das nicht Gero mit einem schweren Sandsack auf seinem schmächtigen Kinderrücken?
    »He! Bruderherz!«, rief Johanna und stieß einen durchdringenden Pfiff aus.
    Der Junge schaute zu ihr hinunter. Es war tatsächlich Gero.
    »Schnell, wirf den Sack auf den Mistkerl dort, dass es ihm den Staub von den Ohren bläst!«
    Gero sah sie verdutzt an.
    »Nun halt nicht Maulaffen feil! Mach schon! Der Galgenvogel hat versucht mich umzubringen«.
    Das genügte Gero. Ohne zu zögern, hielt er den Sack genau über den Schulmeister und ließ ihn fallen. Das Gewicht des Geschosses
     streckte den Mann wie vom Blitz getroffen zu Boden.
    Auf der Stelle brach ein großes Jubelgeschrei aus. Die Kinder rannten zu dem bewusstlosen Schulmeister. Andreas schnappte
     sich ein herumliegendes Seil und fesselte den Mann. Als endlich völlig außer Atem der Büttel und Stolzenberg am Schauplatz
     ankamen, wurden sie von strahlenden Kindergesichtern empfangen. Stolz übergab Johanna dem Büttel den Strick, mit dem sie den
     Kirchendieb gefesselt hatten. Es blieb nichts weiter zu tun, als den Mannhinter Schloss und Riegel zu bringen und ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen.
    Doch nicht nur Johanna war stolz, auch Andreas’ Vater. Nachdem er wieder genügend Luft bekam, sparte er nicht mit Lob.
    »Das habt ihr prima gemacht, Kinder. Gleich morgen werde ich mich im Rat für euch verwenden, damit ihr die euch zustehende
     Belohnung erhaltet. Und jetzt lade ich euch alle zu mir nach Hause ein. Dort wird Theres alles auftischen, was die Küche zu
     bieten hat.«
    Als er Johannas erschrockenes Gesicht sah, fügte er grinsend hinzu: »Keine Angst, du wirst nicht in der Küche stehen und schnippeln
     müssen. Dir gebührt heute natürlich wie allen anderen ein Platz an meiner Tafel.«
    Und so zog ein freudestrahlender Kinderzug, der nicht unterschiedlicher hätte sein können, Richtung Rheingasse. Lumpenkinder
     und wohlhabend gekleidete Kaufmannssöhne unterhielten sich aufgeregt miteinander, als gäbe es kein Arm und Reich.
     
    Schon am nächsten Tag kam Stolzenberg mit ausgesprochen guten Neuigkeiten nach Hause. Sofort ließ er Andreas und Johanna zu
     sich kommen.
    »Über die Taten Zenkers wird das Kölner Hochgericht urteilen, aber ich kann euch beiden jetzt schon sagen, dass ihr die Belohnung
     bekommen werdet. Es sind drei Gulden, sehr viel Geld. Ich hoffe, ihr werdet es gerecht unter euch aufteilen«.
    »Macht Euch darüber keine Sorgen, Vater«, mischte
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