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Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: John Harvey
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Edith.
    »Wirklich?«, fragte Resnick. »So habe ich das nicht gemeint.« Wenngleich es vielleicht tatsächlich Momente gibt, dachte er, in denen mir jemand wie Shepperd leidtun könnte. Natürlich nicht so wie Gloria oder Edith, aber eine Spur Mitgefühl könnte ich vielleicht aufbringen. Doch heute nicht: Heute ist meine ganze Trauer schon vergeben.
    »Er wird nicht gehängt, oder?«, fragte Edith. »Das haben sie abgeschafft. Stattdessen sperren sie ihn irgendwo ein, in Broadmoor, und lassen ihn von Ärzten behandeln und sorgen dafür, dass er nicht mehr rauskommt. Und er wird Briefe bekommen, so ist das doch immer. Von Leuten, die behaupten, es wäre in Wirklichkeit gar nicht seine Schuld, die so tun, als wüssten sie Bescheid.«
    Resnick neigte sich zu ihr und ergriff ihre Hand. Eine alte Frau mit grauem Haar, die ihren Hund spazieren führte, musterte sie im Vorbeigehen gerührt, wie schön, dachte sie, dass es noch solche Paare gibt, zwei Menschen, die nach so langen Jahren noch liebevoll miteinander umgehen.
    »Ist es okay, wenn ich ihm einen Tee bringe?«
    Der Vollzugsbeamte sah von seinem Schreibtisch auf und gab Millington mit einem Nicken die Erlaubnis.
    Shepperd saß in der mittlerweile vertrauten Haltung, die Arme zwischen den Beinen, auf der Bettkante. Er murmelte irgendetwas vor sich hin, was Millington nicht verstehen konnte, und schwieg, als die Zellentür zufiel.
    »Meine Frau …«, begann Shepperd.
    »Wir haben gestern mit ihr gesprochen. Sie sagte, sie will Sie nicht sehen. Seitdem hat sich nichts geändert.«
    »Können Sie sie nicht bitten, dass …?«
    »Sie weiß, wo Sie sind.«
    »Bitte, fragen Sie sie noch einmal.«
    »Wir werden sehen.«
    Suhl du dich nur in Selbstmitleid, du Schwein, dachte Millington. Ich würde dir am liebsten die Fresse polieren.
    »Wie wär’s damit?«, fragte er und hob den Becher. »Tee?«
    Shepperd streckte eine Hand danach aus.
    »Es gibt zwei Leute, die verzweifelt auf ein Wort von Ihnen warten«, sagte Millington. »Die Mutter und der Vater von Emily Morrison. Sie warten darauf, dass Sie ihnen sagen, was Sie mit ihrer Tochter gemacht haben, wo sie ist.«
    »Aber ich hab’s Ihnen doch gesagt«, jammerte Shepperd. »Oft genug. Ich habe keine Ahnung.«
    Millington schleuderte den Inhalt des Bechers hoch über Shepperds Kopf und rannte aus der Zelle, voll Furcht vor dem Schaden, den er vielleicht angerichtet hatte.
    Die Klinge fuhr wie ein Feuerstrahl über den Hals, und als wäre ein Hahn geöffnet worden, strömte das Blut heraus und spritzte dann stiefelhoch auf, bevor es in Spiralen den Abfluss hinunterkreiselte. Raymond drehte sich um, er drückte das Laken auf sein Gesicht, das Laken, das süßlich roch von seinem Schweiß. Der Körper des Kalbs zitterteimmer noch. Ein Schnitt der Länge nach über den Bauch, und die Eingeweide fielen heraus. Er hatte die Tür abgesperrt und die Kommode davorgeschoben. Seit Stunden, wie ihm schien, vernahm er von unten ganz schwach Geräusche und Stimmen. Der zweite Schnitt öffnete das Tier von den Hinterbeinen zum Brustbein. Schweiß und Urin; Schweiß und Scheiße. Wannen voll ineinander verschlungener rosa Gedärme, rosa und grau. Raymond weinte vor Angst, dass seine Mutter es merken und ihn ausschimpfen würde, er wusste selbst nicht, wie es passiert war, hatte es nicht mit Absicht getan, ehrlich, er hatte das Bett nicht vollsauen wollen. Er griff sich zwischen die Beine. Als er Sara zuletzt gesehen hatte, hatte sie auf den Knien gelegen und geweint. Blöde Schlampe. Geschah ihr ganz recht, sie hätte nur auf ihn zu hören brauchen, tun sollen, was er ihr sagte. Er fühlte, wie sein Glied in seiner Hand steif wurde. Gedärme, die eine Rutsche aus rostfreiem Stahl hinunterglitten, glitschten. In den Nachrichten heute Abend hatten sie gesagt, dass der Kerl gefasst war, der sich die Kleine genommen hatte, die, der er immer so gern zugesehen hatte. Beim Fangen. Beim Seilspringen. Wie sie ihm immer von der anderen Straßenseite aus zugelacht hatte. »Ray-o! Ray-o! Ray-o!« Wie sie unter ihrem kurzen Röckchen die Beine geworfen hatte. Was hatte er mit ihr gemacht, als er sie weggelockt hatte? Raymond zog sich das Laken übers Gesicht und schloss die Augen. Köstlicher Gestank. Er spie in seine Hand und legte sie wieder um sein Glied.
    Resnick kam am späten Nachmittag auf die Dienststelle zurück. Millington sah ihn an und schüttelte nur den Kopf.
    »Shepperds Anwalt hat wieder angerufen«, sagte Lynn Kellogg. »Er hat
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