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Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: John Harvey
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musste knöcheltief in Wasser und Ekligerem stehen.
    Als er zurückkam, ließ Sara sich gerade von einem Kerl mit schwarzem Hemd, Pferdeschwanz und Goldring im Ohr anmachen.
    »Was wollte der denn?«
    »Was glaubst du wohl?«
    Raymond schaute zu dem Typen hinüber, der sich mit seinen Kumpeln über irgendetwas kaputtlachte. »Der hat sich anscheinend getäuscht, als er dich angequatscht hat.«
    »Wieso?«
    »Na, das ist doch eine gottverdammte Schwuchtel.«
    »Ist er nicht.«
    »Ach, stehst du auf ihn?« Er stieß sie in Richtung der jungen Männer. »Dann geh schon. Verpiss dich. Glaubst du vielleicht, ich kann nicht ohne dich leben?«
    »Raymond, hör auf. Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich mich von dir nicht so behandeln lasse.«
    »Ach ja? Tja, wenn du das so siehst, dann schau doch, wie du allein nach Hause kommst. Oder lass dich von der Schwuchtel da drüben heimbringen.«
    »Raymond!«
    Aber er drängte sich schon wütend zur Tür durch, den Kopf gesenkt, die Hände tief in den Taschen. Sara ging ihm ein paar halbherzige Schritte hinterher und blieb dann stehen. Sie sah, wie der Typ mit dem Pferdeschwanz sie angrinste, dann machte einer seiner Kumpel diese Wichsgeste mit der Hand. Sara holte tief Luft und rannte Raymond nach.Raymond war so schnell und ohne nach rechts oder links zu schauen aus dem Pub hinausgestürmt, dass er beinahe über die Bordsteinkante hinausgeschossen wäre, ehe ihm einfiel zu überlegen, wohin er eigentlich wollte. Einen Moment lang dachte er daran, wieder hineinzugehen und Sara zu holen oder wenigstens auf sie zu warten. Aber warum zum Teufel sollte er? Er stand neben der Telefonzelle auf der anderen Straßenseite und wollte gerade zum Platz hinunter, als er sie entgegenkommen sah, die vier, die ihn vor Debenhams überfallen hatten. Fast zwei Monate war das her, aber vergessen würde er es nie. Lose weiße Hemden, Ärmel aufgerollt, dunkle Hosen mit Bundfalten, glänzende Schuhe. Einer trat in den Eingangsbereich des Jeansladens, schrie den anderen zu, sie sollten warten, und senkte den Kopf, um sich eine Zigarette anzuzünden. Im Lichtschein der Flamme konnte Raymond sein Gesicht deutlich erkennen: Der war’s, der ihn damals im »The Bell« angestarrt, der ihm brüllend vor Wut sein Messer reingerammt hatte.
    »Hey!«, rief Raymond und lief ihnen entgegen. »Hey, du da!«
    Der Junge reagierte nicht gleich, brauchte nach all den Wochen Zeit, um sich an Raymonds Gesicht zu erinnern.
    »He, du!«, rief Raymond. »Ich krieg dich.«
    Einer der Kumpel des Jungen lachte ungläubig, ein zweiter stieß einen Warnruf aus; der dritte, der Raymond aufhalten wollte, bekam einen Faustschlag ins Gesicht.
    »Raymond! Ray-o!« Falls er Saras Rufen hörte, so reagierte er jedenfalls nicht darauf.
    Sie ging über die Straße, kurz davor, in Laufschritt zu verfallen, als der Junge erkannte, dass es Raymond ernst war. Vielleicht erinnerte er sich jetzt auch.
    »Verpiss dich, du Idiot, sei nicht so verdammt blöd.«
    Raymond schlug ihm ins Gesicht und schwang ein Bein hoch, zielte auf den Unterleib, erwischte ihn mit der Schuhspitzeoberhalb des Knies. Hände wollten ihn packen, doch er stieß sie mit den Ellbogen weg.
    »Scheiße, was soll das, Mann …?«, begann der Junge, aber Raymond hatte schon den Kopf gesenkt und rammte ihn, die Stirn voran, mitten ins Gesicht des überraschten Jungen.
    »Raymond! Nicht!«
    Einer von ihnen packte Sara beim Arm und schleuderte sie zur Seite, hinüber zum Eingang des »Cookie Club«, wo sie hinfiel. Einer der anderen trat Raymond in die Kniekehle, aber der schien das kaum zu merken.
    »Okay!« Er packte den Jungen beim blutbespritzten Hemd, »du hast es nicht anders gewollt. Raymond Cooke, erinnerst du dich?« Und während es dem Jungen langsam dämmerte, zerschnitt ihm Raymond mit seinem Stanley-Messer das Gesicht, gleich neben der gebrochenen Nase.
    Patel und Alison, die vor dem Schaufenster eines japanischen Geschäfts standen und sich die Futons ansahen, hörten die Schreie.
    »Nicht«, sagte Alison und hielt Patel am Arm fest. »Bitte, misch dich da nicht ein.«
    Patel berührte ihre Hand und löste sanft ihre Finger. »Ich muss mich einmischen«, sagte er.
    Eine Person schien rücklings im Hauseingang zu liegen, eine zweite war offenbar über sie gebeugt und wurde von zwei oder drei anderen von hinten angegriffen. Patel begann zu laufen.
    Eine Schulter rammte Raymond mit Wucht gegen das Schaufenster. Fäuste flogen um sein Gesicht, und er riss beide Arme
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