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Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller
Autoren: Richard Laymon
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nicht.
    Sie hob die Taschentücher auf, die neben Sandy auf dem Boden lagen, und kletterte leise aus dem Wagen. Die kalte Luft ließ sie zittern. Sie atmete tief ein und versuchte, ihre verspannten Nackenmuskeln zu dehnen - ohne großen Erfolg.
    Bevor sie den Türgriff losließ, spähte sie über das Wagendach. Neben der Straße, keine zehn Meter vom Heck des Maverick entfernt, stand ein Pick-up.
    Axel Kutch saß auf dem Dach der Fahrerkabine und ließ die Beine vor der Windschutzscheibe baumeln. Er hatte das vom Mondlicht beschienene Gesicht dem Himmel zugewandt und starrte wie in Trance in die Nacht.
    Leise kletterte Donna den Abhang hinunter. Selbst am tiefsten Punkt des Straßengrabens konnte sie Axels Kopf erkennen. Sie behielt ihn im Auge, während sie ihre Kordhose öffnete. Der riesige Kopf starrte immer noch mit geöffnetem Mund den Mond an. Vorsichtig ging sie neben dem Auto in die Hocke.
    Sie spürte den kalten Wind auf ihrer Haut.
    Es war kalt, genau wie damals. Und ich hatte meine Hose runtergelassen.
    Es wird schon alles gut gehen, dachte sie.
    Er wird uns aufspüren.
    Als sie fertig war, kletterte sie zur Straße hinauf. Axel schien sie nicht zu bemerken.
    »Axel?«
    Er zuckte zusammen. Dann schaute er sie an und lächelte. »Donna«, sagte er.
    »Der Nebel ist weg. Wollen wir losfahren?«
    Ohne zu antworten sprang er vom Dach des Wagens. Sein linkes Bein knickte ein, als er auf dem Asphalt landete, doch es gelang ihm, das Gleichgewicht zu behalten.
    »Was ist los?«, rief Sandy ihnen zu.
    »Wir fahren.«
    Zu dritt holten sie das Gepäck aus dem Maverick und warfen es auf die Ladefläche des Pick-up. Dann stiegen sie ein. Donna setzte sich zwischen Axel und ihre Tochter.
    »Vergiss nicht, wo das Auto steht«, sagte sie zu Sandy.
    »Holen wir es wieder?«
    »Aber sicher.«
    Axel fuhr auf die Straße und lächelte Donna an. Sie lächelte zurück.
    »Sie riechen aber gut«, sagte er.
    Sie bedankte sich.
    Dann schwiegen sie. Im Radio sang Jeannie C. Riley über die bigotte Schulverwaltung von Harper Valley. Donna schlief ein, noch bevor das Lied zu Ende war. Irgendwann später öffnete sie kurz die Augen und sah, dass die Scheinwerfer des Lieferwagens die kurvige Straße beleuchteten. Dann wachte sie wieder auf, als Axel mit rauer, tiefer Stimme zu Kenny Starrs »The Blind Man in the Blea-chers« sang. Wieder nickte sie ein, bis eine Hand auf ihrem Oberschenkel sie aufweckte.
    Axels Hand.
    »Wir sind da«, sagte er, nahm die Hand weg und deutete auf ein von den Scheinwerfern beleuchtetes Metallschild: WILLKOMMEN IN MALCASA POINT. EINWOHNERZAHL: 400. FAHREN SIE VORSICHTIG.
    Hinter einem schmiedeeisernen Zaun erkannte Donna ein dunkles Haus in viktorianischem Stil: Es war eine bemerkenswerte Ansammlung aus Erkerfenstern, Giebeln und Baikonen. An einem Ende des Daches ragte ein kegelförmiges Türmchen in die Nacht. »Wo sind wir hier?«, fragte sie flüsternd.
    »Das Horrorhaus«, sagte Axel.
    »Das Horrorhaus?«
    Er nickte.
    »Wo diese Morde passiert sind?«
    »Das waren Idioten.«
    »Wer?«
    »Sie sind nachts da reingegangen.«
    Er fuhr langsamer.
    »Was haben Sie …?«
    Direkt gegenüber der Bude, in der die Eintrittskarten für das Horrorhaus verkauft wurden, bog er links ab. Vor ihnen, etwa fünfzig Meter von der Hauptstraße entfernt, stand ein zweistöckiger Ziegelsteinbau samt Autowerkstatt.
    »Da wären wir«, sagte Axel.
    »Was ist das hier?«
    »Zuhause. Hier sind wir sicher.«
    »Mom?« Es klang wie ein verzweifelter Hilfeschrei.
    Donna griff nach Sandys verschwitzter Hand.
    »Es ist sicher«, wiederholte Axel.
    »Das Haus hat keine Fenster. Nicht ein einziges Fenster.«
    »Nein. Es ist sicher.«
    »Axel, wir werden auf keinen Fall da reingehen.«

    5

    »Gibt es kein Hotel oder etwas Ähnliches, wo wir die Nacht verbringen können?«, fragte Donna.
    »Nein.«
    »Wirklich nicht?«
    »Ich will, dass ihr hierbleibt.«
    »Wir bleiben nicht hier. Nicht in diesem Haus.«
    »Mutter ist auch da.«
    »Darum geht es nicht. Bringen Sie uns einfach nur woandershin. Hier muss es doch ein Hotel oder so etwas geben.«
    »Sie sind sauer auf mich«, sagte er.
    »Das stimmt nicht. Bringen Sie uns nur irgendwohin, wo wir bis morgen bleiben können.«
    Er stieß rückwärts aus der Einfahrt und durchquerte Malcasa Points überschaubares Geschäftsviertel. Am Nordende der Stadt befand sich eine Tankstelle. Sie war geschlossen. Nach einer halben Meile bog er in den beleuchteten Parkplatz des Welcome Inn. ZIMMER
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