Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller
Autoren: Richard Laymon
Vom Netzwerk:
Ecken kauerten.
    Und eine Bestie, die im Kutch-Tunnel verschwand.
    Das Gitter stand sperrangelweit offen.
    Das rote Blinklicht war genau dahinter an einem Stützbalken befestigt.
    »Sieh nur!«
    »Scheiße!«
    »Sie hat eine Kanone!«
    »Ihr nach!«
    »BLEIBEN SIE ZURÜCK!«, rief Sandy und rannte in den Tunnel.
    Clyde war bereits hinter einer Biegung verschwunden.
    Sandy warf einen Blick auf das Blinklicht. Es war mit einem Bewegungsmelder verbunden.
    Clyde musste den Alarm ausgelöst haben.
    Aber wie hatte er nur das Gitter aufbekommen?
    Mit einem Schlüssel, wie sonst?
    Als Kind hatte Sandy dieser Tunnel Angst gemacht. Sie hatte ihn wenn möglich gemieden.
    Jetzt wünschte sie, sie hätte damals mehr Zeit hier unten verbracht.
    Sie erinnerte sich vage, dass der Tunnel viele Biegungen, Kurven, Abzweigungen, Winkel, Schleifen und Gänge ins Nichts besaß.
    Er könnte mir überall auflauern.
    Langsam näherte sie sich einer Biegung. Über ihr befand sich ein weiteres Blinklicht.
    Von Clyde keine Spur.
    Was hat er vor?, fragte sie sich. Will er durch Agnes’ Haus flüchten?
    Mit einer seltsamen Mischung aus Sehnsucht und Furcht begriff Sandy, dass sie Agnes in den nächsten Minuten höchstwahrscheinlich wiedersehen würde.
    Die Frau, die einst ihre beste Freundin - ihre einzige Freundin -und so etwas wie eine Mutter für sie gewesen war. Nein, eher eine große Schwester. Sie hatte sie seit jenem Sommer im Jahre 1980 nicht mehr gesehen, als Marlon Slade vor ihrem Wohnwagen aufgetaucht und alles ruiniert hatte.
    Obwohl sie schon lange in der Stadt war, hatte sie doch nie Gelegenheit gehabt, Agnes wiederzusehen.
    Am Tag ihrer Wiederkehr hatte sie an die Tür des Kutch-Hauses geklopft. »Agnes, ich bin’s, Sandy!«, hatte sie gerufen. »Wie geht’s dir? Ich bin wieder da und würde dich gerne besuchen.« Aber niemand hatte geantwortet.
    Am nächsten Tag hatte sie es noch einmal versucht.
    Wieder keine Antwort.
    Nach zwei Wochen hatte sie endlich eine Antwort erhalten.
    »Hau ab«, hatte eine Stimme gesagt.
    »Agnes? Ich bin’s, Sandy! Kannst du dich nicht an mich erinnern?«
    »Klar erinnere ich mich.« Agnes hatte nicht gerade begeistert geklungen.
    »Lass uns wieder Freunde sein.«
    »Hau ab.«
    »Agnes? Was ist denn los?«
    »Ich kann dich nich’ brauchen. Du bist mit dem Kind abgehaun. UNSERM Kind. Das war nich’ dein RECHT!«
    »Aber ich hatte keine andere Wahl. Wir…«
    »Ich will nichts davon hören. Hau ab. Am besten, du hängst dich auf.«
    Danach hatte Sandy nie wieder versucht, zu Agnes Kontakt aufzunehmen.
    Vielleicht kann ich Clyde ja stellen, bevor er den Tunnel verlässt, dachte sie. Bevor er ihr Haus erreicht.
    Sie hasst mich.
    Ich will sie nicht wiedersehen.
    Aber bald werden wir uns wohl von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.
    »Warten Sie!«, rief jemand hinter ihr.
    Sie sah sich um. Zwei Teenager liefen auf sie zu, gefolgt von ei-ner stämmigen jungen Frau in Flanellhemd und Jeans, die im Gesicht blutete.
    »Zurück«, sagte Sandy.
    »Wir wollen helfen«, sagte der größere der beiden Jungen.
    Sein pummeliger Freund nickte.
    »Er hat meinen Mann getötet!«, rief die Frau.
    Dann kamen zwei weitere Personen hinzu - ein schlanker, adretter Mann in einem blutbefleckten braunen Pullover und eine verwirrt dreinblickende Frau, die sich an seiner Hand festhielt. »Ist der Ausgang in dieser Richtung?«, fragte der Mann.
    »Nein, hier ist kein Ausgang«, sagte Sandy. »Gehen Sie in den Keller zurück. Alle. Sie behindern eine polizeiliche Ermittlung.«
    »Sind Sie ein Cop?«, fragte der größere Junge.
    »Wo ist dann Ihre Marke?«, fragte der pummelige und starrte auf ihre Brüste.
    »Wollen Sie meinen Pullover anziehen?«, fragte der größere.
    »Zurück!«, rief Sandy noch einmal, wirbelte herum und rannte so schnell sie konnte in den Tunnel, um die verlorene Zeit wieder gutzumachen - fast ein bisschen zu schnell.
    Wenn er jetzt hinter einer Biegung auf mich wartet…
    Sie konnte gerade noch einer Lehmwand ausweichen, schlitterte um eine Kurve und prallte gegen die Seite des Tunnels.
    Vor ihr lag ein Abschnitt, der so gerade wie der Korridor eines Schulhauses war. Sandy erinnerte sich, dass der Tunnel hier unter der Hauptstraße hindurchführte.
    Ein weiteres Blinklicht färbte den Gang scharlachrot.
    Sie sah Clyde - eine Bestie mit einem menschlichen Kopf, die rannte, was das Zeug hielt.
    Er war etwa fünfzehn bis zwanzig Meter von ihr entfernt.
    Sandy blieb stehen und hob die Pistole.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher