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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin
Autoren: Peter Berling
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hätte. Sie bitten für ihn um Eure gnädigste Huld, Hulagu!« Die Rede hatte Lulu noch mehr angestrengt als das lange Stehen, doch niemand schob dem vor Erschöpfung Zitternden einen Sitzschemel unter. Der Il-Khan flüsterte mit seinem Secretarius, der Majordomus tat das Verdikt des Herrschers kund: »Dieser säumige Sultan hätte den Weg zu uns auf einer Tragbare finden sollen, das hätte sein verwirktes Leben vielleicht verlängert. So gilt unser Verzeihen nur den Söhnen, die sich mit Recht unserer Macht unterworfen haben. Sie sollen sich zu unserer Verfügung halten!« Mit einer wegscheuchenden Handbewegung wurden die beiden aus dem engeren Gesichtskreis des Il-Khan entfernt. »Was aber Mossul betrifft, dessen Atabeg Ihr wart, Badr ed-Din Lulu, erwarteten wir von dieser reichen Stadt eigentlich mehr als Euer unnötiges Erscheinen.«
    Der Dicke war längst - schon weil er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte - auf die Knie gesunken, seine vorgestreckten Hände stützten den schweren Körper ab. »Der Kelim«, stöhnte er verzweifelt, »ich reiste schneller, als die ihn transportierende Beduinenkarawane, wofür ich um Verzeihung bitte, wollte ich doch wie ein Vogel im Wind nicht rasten noch ruhen, bis ich vor Euer gütiges Antlitz - «
    »- mit leeren Händen getreten!«, höhnte der Oberhofmeister ohne Rücksprache mit seiner Herrschaft, was den flinken

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    Schweinsäuglein des Atabeg nicht entgangen war. Lulu wagte zwar nicht den Blick zum Thron zu erheben, aber er hielt sich nun direkt an die nächste Stufe, den Secretarius.
    »Solch ein Meisterwerk habt Ihr noch nicht gesehen!«, beschwor er den Mann, der das Ohr des Herrschers besaß. »Tausend Weber aus Täbriz schufen diesen Vater aller Teppiche! Ein Kelim, einzig in seiner Art, sowohl was Pracht als auch schiere Größe anbelangt: Sieben Kamele hintereinander, je zwei und zwei Seite an Seite schleppen die gewaltige Rolle über Berg und Tal! Warum?!«, stieß Lulu mit letzter Kraft aus, es sollte flehentlich klingen, wirkte aber wie zorniger Protest. »Warum nehmt Ihr nicht diese Anstrengung bereits als Huldigung, erhabener Il-Khan?! Warum lasst Ihr mich noch mehr leiden als diese achtundzwanzig ausgewählten Kamelstuten?!«
    Dieser tollkühne Schlenker erzeugte ein Schmunzeln auf dem starren Gesicht des Hulagu. Er ergriff selbst das Wort. »Ich nehme Euer Geschenk an.« Er flüsterte mit seinem Sekretär, dieser mit dem Majordomus.
    »Wann?!«, fragte der mit zuckersüßer Stimme.
    Badr ed-Din Lulu fiel darauf rein. »Heute, morgen, in den nächsten Tagen gewiss!«, antwortete er fast schon aufsässig.
    Der Oberhofmeister lächelte. »Sagen wir drei?«
    Lulu nickte ergeben.
    »Für jeden Tag, den dieser Teppich früher eintrifft, regiert Ihr als unser Atabeg ein Jahr länger in Mossul, für jeden Tag später schmachtet Ihr die gleiche Zeit im Kerker!«
    Die Wachen führten den Dicken ab.
    SCHROFFE FELSEN, WILD GEZACKT, wohin der Blick der Reisenden sich auch wandte. Das flammende
    Abendrot ließ sie im Westen bereits als schwarze Silhouetten aufragen, während ihre höchsten Gipfel im Schein der rasch untergehenden Sonne noch vom goldenen Licht verklärt
    wurden. Stoßweise kam kalter Wind auf.
    »Nimm mich in den Arm«, flüsterte Yeza, ihr fröstelte.
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    Sie lagerten nun doch auf dem ausgebreiteten Kelim, obgleich der Ort keineswegs dafür geschaffen war, die opulente Bilderpracht des kostbaren Teppichs voll zu entfalten. Der steinige Boden schuf überall Wölbungen und Mulden, verwirrte die allegorischen Darstellungen zu dämonischen Fratzen, die mystischen Geschöpfe aus dem Garten Eden zu höllischem Gelichter. Doch das sahen Rog und Yeza nicht, sie kauerten in seiner Mitte, ein Menschenpaar, aus dem Paradies verstoßen, Gefangene ihres unbedachten Schritts. Rog hatte die Bedenken des Schamanen in den Wind geschlagen und befohlen, den Teppich auszurollen. Ringsherum hockten die Beduinen, starrten sie an, voller Genugtuung einerseits, dass die >Könige< sich endlich dort befanden, wo sie hingehörten, andererseits in unruhiger Erwartung, dass sich nun ein Wunder ereignen müsste. Die abergläubischen Söhne der Wüste spürten den Ungeist, der über der von ihnen selbst heraufbeschworenen Szene wehte wie körperlose Heerscharen böser djinn, ihre Hoffnung richtete sich jetzt allein auf das Königliche Paar. Rog und Yeza haderten hingegen mit sich selber und mit der Natur, ihnen fehlte das schützende Zelt, Yeza, weil es sie erbärmlich fror,
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