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Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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gleichzeitig versetzte ihr der Gedanke, Calandra Lebewohl sagen zu müssen, einen schmerzhaften Stich.
    Sie schaute in das blasse, schöne Antlitz der anavrinischen Prinzessin, die sie großgezogen hatte, und sah, dass der Augenblick des Abschieds gekommen war. Calandras blaue Augen wurden trübe, ihre Lippen waren farblos und schmal.
    »Ich bin bereit«, wisperte sie mit Mühe. »Geh nun, Kind. Nimm den Beutel mit den Münzen, den ich für dich aufbewahrt habe. Geh und … lebe dein Leben.«
    »Ich liebe dich«, hauchte Serena, beugte sich hinab und küsste Calandras Stirn. »Ich werde dich so vermissen.«
    Langsam entzog Calandra Serena die Hand. Das Ende kam näher, und Serena begriff, dass ihre Ziehmutter nicht wollte, dass die Ahnung den kalten Hauch des Todes wahrnahm. Calandra nickte ihr ein letztes Mal zu und schloss die Augen. Rasch und endgültig erfasste der Prozess des Alterns ihren schlanken Leib. Als ihre sterbliche Hülle schließlich zu Staub zerfiel, zog Rand Serena an sich und gab ihr Halt, bis der Augenblick vorüber war.
    »Ich werde den Kelch jetzt an mich nehmen, Greycliff.«
    Draec le Nantres stand nun neben ihnen, zerschlagen und blutend. Der Saum seines scharlachroten Umhangs streifte über seine schwarzen Stiefel. Er streckte die Hand aus und wartete darauf, dass Rand ihm den Kelch reichte.
    »Ihr wollt den Kelch noch immer, obwohl Ihr gerade gesehen habt, was hier geschah?«, wandte sich Rand mit einem Kopfschütteln dem Ritter zu. »Dieser Kelch ist verflucht, wenn Ihr mich fragt.«
    »Verflucht oder nicht, er ist mein. Wir hatten eine Vereinbarung.«
    »Ja, das stimmt«, räumte Rand ein und reichte Draec nach kurzem Zögern den Kelch. »Wenn Euch der Kelch so viel bedeutet, dann nehmt ihn und werdet glücklich damit. Aber ich fürchte, Ihr werdet nicht mehr lange genug leben, um Euch an dem Gefäß zu erfreuen.«
    Als le Nantres den Kelch entgegennahm, schaute er auf die schweren Wunden hinab, die er in dem harten Kampf mit de Mortaines Mann erlitten hatte. Er wandte sich dem Weiher zu und schöpfte etwas von dem kristallklaren Wasser. »Ein Schluck wird mir Leben schenken«, sagte er, denn er erinnerte sich an Calandras Worte, ehe Silas ein zweites Mal aus dem Kelch getrunken hatte.
    Draec hob die goldene Trinkschale an die Lippen. In diesem Augenblick fuhr eine Windbö in den Umhang aus scharlachroter Wolle, und das Gewebe bauschte sich in dem Luftzug. Serenas Augen weiteten sich, als sie das Brustemblem auf der schwarzen Tunika des Ritters sah. Es stellte einen wilden Drachen dar, der sich im Kampf aufbäumte.
    Wie gebannt starrte Serena auf das Feuer speiende Untier auf le Nantres’ Brust. Von klein auf hatte sie der Legende des Drachenkelchs gelauscht und entsann sich nun des Endes: Käme der Schatz durch eine List nach Anavrin zurück oder durch einen Menschen mit bösen Absichten, so würde ein furchtbarer Drache entfesselt und auf das Land niederstoßen. Die dunkle Stickerei auf dem Brustemblem schien lebendig zu werden, und le Nantres, dessen grüne Augen nun triumphierend leuchteten, verzog den Mund zu einem Grinsen.
    »Oh, gnade uns Gott«, wisperte Serena und befürchtete, dass sie einen schweren Fehler begangen hatten, sich auf diesen düsteren Ritter einzulassen. Erhob sich dort etwa gleich jener Drache der Weissagung, um Anavrin zu zerstören? »Rand, hier stimmt etwas nicht … «
    Aber nun hatte Draec den Kelch bereits an den Mund gesetzt und war im Begriff, den ersten Schluck zu nehmen. Doch dazu sollte es nicht kommen. Ein pfeifendes Geräusch zerschnitt die Luft. Ein Gegenstand flog mit tödlicher Geschwindigkeit an Rand und Serena vorbei.
    Es war ein Dolch, den jener Gestaltwandler geworfen hatte, den Rand als Ersten zu Boden geschlagen hatte. Die schlanke Waffe bohrte sich zielsicher in le Nantres’ Brust, und der Ritter stolperte mit weit aufgerissenen Augen zurück, die Züge von Entsetzen entstellt.
    Mit einem Wutschrei sprang Rand auf, zog seinen Dolch aus dem Gürtel und warf ihn in Richtung des Abgesandten aus Anavrin. Der Gestaltwandler ging zu Boden und war augenblicklich tot. Düster ragte der Knauf von Rands Dolch aus der breiten, wulstigen Stirn des toten Söldners.
    Für Draec le Nantres jedoch war es zu spät.
    Mit einem Schmerzensschrei taumelte er rücklings in den Weiher, den Drachenkelch noch immer in Händen haltend. Gleichzeitig stürmten Serena und Rand zum Wasser und schauten in die unbestimmbare Tiefe. Die in den rötlichen Schein der frühen
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