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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml
Autoren: Clancy Tom
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die Amerikaner so bereitwillig darauf einzugehen schienen. Selbst Ryan, der es doch eigentlich besser wissen sollte. Was hatten die Amerikaner im Sinn? Wer manövrierte hier wen aus? Eine ausgezeichnete Frage.
    Er kehrte zurück zu Ryan, dem Mann, auf den er am
vorhergehenden Abend angesetzt worden war. Weit gekommen war er für sein Alter, ein Rang, der dem eines Obersten im KGB oder GRU entsprach, und erst fünfunddreißig. Was hatte er geleistet, um so schnell nach oben zu kommen? Golowko zuckte die Achseln. Vermutlich Beziehungen, die waren in Washington ebenso wichtig wie in Moskau. Mut besaß der Mann – den hatte er vor fünf Jahren bei dieser Geschichte mit den Terroristen in London bewiesen. Außerdem war er ein fürsorglicher Familienvater, etwas, das Russen mehr respektierten, als die Amerikaner glauben wollten – das implizierte Beständigkeit und somit Berechenbarkeit. Und vor allem, dachte Golowko, war Ryan ein Denker. Warum leistete er dann keinen Widerstand gegen einen Pakt, von dem die Sowjetunion mehr profitierte als Amerika? Trifft unsere Einschätzung der Situation etwa nicht zu? schrieb er. Wissen die Amerikaner etwas, das uns unbekannt ist? Oder: Wußte Ryan etwas, das Golowko noch verborgen war? Der Oberst runzelte die Stirn und dachte dann an etwas, das er wußte, Ryan aber nicht. Der Gedanke provozierte ein schwaches Lächeln. Das gehörte alles zu dem großen Spiel.
    Â 
    Â»Sie müssen die ganze Nacht marschiert sein.«
    Der Bogenschütze nickte ernst und stellte den Rucksack ab, unter dem er fünf Tage lang geächzt hatte. Er war fast so schwer wie der, den Abdul geschleppt hatte. Der junge Mann stand kurz vorm Zusammenbruch, wie der CIA-Offizier feststellte. Beide Männer suchten sich Sitzkissen.
    Â»Trinken Sie etwas.« Der CIA-Mann hieß Emilio Ortiz, war ebenfalls dreißig Jahre alt und hatte die Muskeln eines Schwimmers, mit denen er sich ein Stipendium an der University of California erkämpft hatte. Ortiz verfügte über eine seltene Sprachbegabung: War er nur zwei Wochen einer Sprache, einem Dialekt oder einem Akzent ausgesetzt gewesen, konnte er als Einheimischer durchgehen. Zudem war er ein einfühlsamer Mann, der die Sitten der Menschen, mit denen er arbeitete, respektierte. So bot er auch jetzt kein alkoholisches Getränk an, sondern Apfelsaft.

    Â»Allahs Segen über dieses Haus«, sagte der Bogenschütze, als er das erste Glas geleert hatte. Dem Mann stand die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben, aber anmerken ließ er sich nichts. Anders als sein junger Träger schien der Bogenschütze gegen solche menschlichen Schwächen gefeit zu sein.
    Â»Möchten Sie etwas essen?« fragte er.
    Â»Das kann warten«, erwiderte der Bogenschütze und griff nach seinem Rucksack. »Ich habe acht Raketen abgeschossen und sechs Flugzeuge getroffen, aber eines hatte zwei Motore und entkam. Von den fünfen, die ich zerstörte, waren zwei Hubschrauber und drei Jagdbomber. Der erste Hubschrauber, den wir abschossen, war der neue Mi-24 Hind, von dem Sie uns erzählten. Sie hatten recht. Er hat einige neue Ausrüstungen. Hier sind ein paar Teile.« Der Bogenschütze holte sechs grüne Platinen für den Laserdesignator hervor, der nun zur Standardausrüstung des Mi-24 gehörte. Der Captain der US-Army, der bislang schweigend im Schatten gestanden hatte, trat vor, um sie zu untersuchen. Mit leicht zitternden Händen griff er nach den Gegenständen.
    Â»Haben Sie auch den Laser?« fragte er in ungelenkem Paschtu.
    Â»Er wurde zwar schwer beschädigt, aber ich habe ihn.« Der Bogenschütze drehte sich um. Abdul schnarchte. Er hätte beinahe gelächelt, aber dann fiel ihm ein, daß auch er einen Sohn hatte.
    Â»Sind die neuen Raketen da?« fragte der Bogenschütze.
    Â»Ich kann Ihnen zehn geben. Es ist ein leicht verbessertes Modell mit fünfhundert Metern größerer Reichweite. Und ich habe auch Rauchraketen da.«
    Der Bogenschütze nickte ernst, und seine Mundwinkel verzogen sich zu etwas, das in einer anderen Zeit der Beginn eines Lächelns gewesen sein mochte.
    Â»Dann kann ich mir jetzt vielleicht ihre Transportflugzeuge vornehmen. Die Rauchraketen funktionieren vorzüglich, mein Freund. Jedesmal treiben sie die Eindringlinge näher zu mir. Und der Feind hat diese Taktik noch nicht
durchschaut.« Aha, kein Trick also, sondern eine
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