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Der Kandidat [microform] : Komödie in vier Aufzügen nach Flaubert

Der Kandidat [microform] : Komödie in vier Aufzügen nach Flaubert

Titel: Der Kandidat [microform] : Komödie in vier Aufzügen nach Flaubert
Autoren: 1878-1942 Carl Sternheim , 1821-1880. Candidat Gustave Flaubert
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hängt doch von allerhand ab. In der Politik . . .
    RUSSEK:
    Steht nie etwas endgültig fest. Sehr richtig. Da heißt es lavieren, Gegensätze ausgleichen.
    GRÜBEL :
    Sehr richtig. Und um Ihr Vertrauen zu erwidern, ge-stehe ich Ihnen: als Seidenschnur nach Ihrer abschlä-gigen Antwort zu mir kam, gab ich nur meinem Groll nach . . .
    RUSSEK:
    Das beweist Charakter.
    GRÜBEL: In meiner Liebe zu Ihrer Tochter verfluchte ich Sic.
    RUSSEK: Ihr Abfall hat mich innerlich erschüttert.
    GRÜBEL: So geben Sic mir HoiS&iung?
    RUSSEK:
    Nach reiflicher Überlegung erscheint mir Ihre Stellung annehmbarer. Denn abgesehen von den zwanzigtausend Mark Gehalt ...
    GRÜBEL: Fünfzehntausend.

    RUSSEK :
    Und dem Anteil am Reingewinn haben Sic Ihre Tante. Und da sie am Darmkrebs leidet — also, mein Lieber, seien Sie in einer Stunde etwa, wenn es dunkel ist, wieder hier; wie zurällig. Dann wollen wir sehen.
    Nach rechts ex'tt,
    GRÜBEL:
    Ein Rendezvous ? Heimlich gewissermaßen. Das ist Ein-willigung, Sieg!
    VIERTER AUFTRITT
    SEIDENSCHNUR tritt hinter dem Gitter auf: Pst! Grübcl! Was gibts Neues?
    GRÜBEL:
    Ihre Anhänger zechen auf Ihre Kosten im Lamm. Ich sagte ihnen, Sie übernähmen heute und sonst die Zeche.
    SEIDENSCHNUR: Bis zu einer gewissen Höhe.
    GRÜBEL:
    §eidenschnur,ein ernstes Wort: Haben Sie die Sache, in die Sie sich stürzen, wohl bedacht? Es ist keine Kleinig-keit, Abgeordneter zu sein.
    SEIDENSCHNUR: Das ist richtig.
    GRÜBEL:
    Alle Habenichtse werden sich an Sic hängen.

    SEIDENSCHNUR: Ich verstehe es, Leuten die Tür zu zeigen.
    GRÜBEL: Ihre Geschäfte werden stark darunter leiden.
    SEIDENSCHNUR:
    Ausgeschlossen! Ich habe eine treue Klientel, die weiß, was sie an mir hat. Ich war Reutlingcrs Paris Meister-schüler. Das kann genügen.
    GRÜBEL:
    Vollkommen. Aber das Leben in Berlin ist teuer trotz Diäten. Kino, Theater, Tingeltangel!
    SEIDENSCHNUR: Gut; man macht sich die Ausgabe.
    GRÜBEL: Ich sehe, offen gesagt, keinen Vorteil für Sic dabei.
    SEIDENSCHNUR: Ich bin anderer Meinung.
    GRÜBEL: Wie leicht können Sie übrigens durchfallen!
    SEIDENSCHNUR: Wissen Sie etwas?
    GRÜBEL:
    Nur, daß Russek in der Meinung steigt. Der Wahl-kreis gehört eben seit langem den Nationallibcralen.

    SEIDENSCHNUR:
    Das ist kein Grund, zumal die sozialdemokratischen Ar-beiter so links als möglich wählen werden. Dazu ist Russek, wie Sie selbst zugaben, ein Esel.
    GRÜBEL: Was beinahe seinen Erfolg verbürgt.
    SEIDENSCHNUR:
    Warum wollen Sie mich eigentlich entmutigen, wo alles wie am Schnürchen geht? Durch meine Haushälterin er-fahre ich, ohne daß ein Mensch eine Ahnung hat, was in Russeks Haus vor sich geht
    GRÜBEL:
    Heikel, was Sie da tun, und nicht einmal vorsichtig. Denn man sagt, Sie sind ihm Geld schuldig. Das müßten Sie zuerst zurückgeben.
    SEIDENSCHNUR: Dann zahlen Sie mir Ihre Schulden!
    GRÜBEL:
    Das ist stark! In dem Augenblick, da ich Ihnen einen unbezahlbaren Dienst leiste, so etwas! Ohne mich dächte niemand an Ihre Wahl.
    SEIDENSCHNUR:
    Aber ich bin nicht unerschöpflich. Von allen Seiten macht man jetzt an mich Ansprüche. Im Lamm und anderswo kneipen die Kerls auf meine Kosten, daß es eine Art hat. Einem stehen die Haare zu Berg.
    GISTL tritt auf.

    SEIDENSCHNUR: Was gibts?
    GISTL:
    Habe die Ehre. Grüß Gott, Herr Grübel!
    Zu Seiden schnür:
    Ich habe da ein Füchschen sehr preiswert, das Sie gut für Ihre Wahlritte gebrauchen können.
    SEIDENSCHNUR: Ich werde zu Fuß gehen. Danke.
    GISTL: Eine Gelegenheit.
    SEIDENSCHNUR: Sie bietet sich wieder.
    GISTL:
    Zu Ihren Diensten. Grüß Gottl
    Ex'tt,
    GRÜBEL:
    Glauben Sie, Russek hätte das abgeschlagen? Der Mann hat eine Kneipe und wird Sie vor seinen Gästen zer-reißen. In diesem Augenblick verlieren Sie fünfzig Stim-men. Ich bin es satt, Sie zu luiterstützcn.
    SEIDENSCHNUR: Aber beruhigen Sie sich!
    GRÜBEL: Ich bin es satt.
    SEIDENSCHNUR: Was bedeutet der Lärm?

    STIMMEN: Seidenschnur!
    SEIDENSCHNUR:
    Ich komme, fliege.
    Ex'tt,
    GRÜBEL: "Was bedeutet das wirklich?
    Ex'tt.
    FÜNFTER AUFTRITT
    RUSSEK tritt im Garten auf. Das Geschrei hinter der
    Szene 'wird stärker \
    Endlich kommen sie in Wallung. HoiSFentlich geht es nicht gegen mich.
    Vor dem Gitter erscheint^ vorbeigehend^ Seidenschnur mit
    einer Wählermenge.
    SEIDENSCHNUR: Halten Sie ein, meine Freunde. Zuviel!
    WÄHLER: Es lebe Seidenschnur! Hoch!
    Sie gehen vorbei.
    RUSSEK:
    Ein großer Teil meiner Freunde um ihn. Mit dem Nationalliberalismus scheint die Sache ja sehr schlecht zu
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