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Der Kalte Kuss Des Todes

Der Kalte Kuss Des Todes

Titel: Der Kalte Kuss Des Todes
Autoren: Suzanne McLeod
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Joseph jetzt keine Bedrohung mehr darstellte. Ich gebe zu, er tat mir nicht sonderlich leid.
    Aber noch waren wir nicht fertig.
    Ich warf einen Blick auf meinen Körper, der reglos auf dem Opferstein lag. Wo war Cosette abgeblieben? Aber dann sah ich den Grund für ihre Abwesenheit: der Griff des Seelenbinderdolchs ragte aus meiner Brust; die ovale Drachenträne
funkelte orangerot im Licht der Kerzen. Darius musste Joseph mitten im Ritual gestört haben, und nun war Cosette in meinem Körper gefangen -
    »Genny«, rief eine besorgte Stimme vom Eingang her, »bist du das?«
    Mein Geistermesser fest in der Hand, fuhr ich herum. Grace kam mit flatternden Rockschößen auf mich zugerannt. Sie trug eine rosafarbene Pepitajacke über ihrem weißen Arztkittel, ihre wolligen schwarzen Haare waren an einer Stelle ganz plattgedrückt und voller Spinnweben, und ein dicker Schmutzstreifen zierte ihre linke Wange wie eine unfertige Kriegsbemalung. In der einen Hand hatte sie das Fabergé-Ei, mit der anderen zerrte sie den tränenüberströmten Floristen-azubi hinter sich her, ihren Backpack über der Schulter.
    Mir fiel ein Stein vom Herzen. Beide waren noch am Leben.
    Hinter Grace tauchte Bobby, Mr. Oktober, auf, ganz in schwarzem Leder, wie ein Goth-Warrior, die Haare wie immer im Nacken zusammengeflochten. Auf seinen Armen trug er den leblosen Körper der Motte.
    »He, Sharon«, rief er, »kommst du jetzt wieder da rein, oder soll ich dich weiter mit mir rumschleppen?«
    Grace ließ die Hand des Jungen los und schlang die Arme um meinen Hals.
    »Gott sei Dank, dir ist nichts geschehen«, rief sie und drückte mich fest an sich. »Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht, Genny.«
    Die Schlangen schossen züngelnd hervor, zogen sich jedoch gleich wieder zurück. Grace merkte nichts. Dankbar atmete ich ihr blumiges Parfüm ein, vermischt mit diesem typischen, antiseptischen Geruch. Mein Messer hielt ich sicherheitshalber an meinen Oberschenkel gepresst, um sie nicht versehentlich zu verletzen.

    »Danke, dass ihr mir zu Hilfe gekommen seid, Grace«, murmelte ich, ein wenig adäquater Ausdruck meiner tiefen Dankbarkeit, »ja, mir geht’s gut, aber was ist mit euch? Was, um Gottes willen, ist passiert?«
    Sie stieß ein zittriges Lachen aus. »Dieser Souler, Neil, hat sich plötzlich auf mich gestürzt, als ich den Jungen hier befreien wollte. Ich war dumm und hätte damit rechnen müssen, dass er bewacht wird.« Sie lachte nervös und schob ihren Rucksack hoch. »Sind wohl doch nichts für mich, diese Action-Hero-Einsätze.« Sie schniefte. »Aber ich hab immerhin ein paar Zauber im Gepäck.« Sie ließ mich los und schaute sich mit einem fast ehrfürchtigen Ausdruck nach Bobby um. »Bobby hat ihn erledigt.«
    Bobby legte den Körper der Motte auf einem sauberen Stück Boden ab und starrte interessiert zu dem Altar, auf dem Rosa lag.
    »Er hat ihn erledigt? Wie?«, fragte ich stirnrunzelnd.
    »Ach, er hat ihn nicht gebissen oder so was.« Grace blinzelte; ihre Pupillen waren derart geweitet, dass man das Braun ihrer Iris fast nicht mehr sah. »Hat ihn einfach an die Wand geworfen.« Sie stieß wieder dieses nervöse, hicksende Lachen aus, und da wurde mir klar, dass sie unter einem leichten Schock stand … aber es gehört schließlich eine andere Art von Mut dazu, sich in Begleitung zweier Vamps und eines zeitweiligen Geistermädchens in die Tiefen der Katakomben zu wagen, anstatt in einer sterilen, hellen Klinik Verletzte zu versorgen.
    »Er ist tot – Genick gebrochen, ich hab’s überprüft«, fügte Grace blinzelnd hinzu.
    Um den war’s auch nicht schade, fand ich. Er hatte bekommen, was er verdiente. Aber das musste ich Grace ja nicht sagen. Ich drückte sie an mich und flüsterte: »He, schon gut, das hast du wunderbar gemacht. Du hast den Jungen gerettet.«
Ich schaute zu besagtem pickeligen Azubi hin, der mit hängenden Schultern dastand.
    Da kam mir ein fürchterlicher Gedanke, der mich wie ein Faustschlag traf.
    Grace hatte den Bannkreis durchbrochen, als sie das Ei und den Jungen herausholte.
    Und das bedeutete, dass der Dämon durch nichts mehr aufzuhalten war, wenn er erschien. Er würde überall hingehen können und eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Und was am schlimmsten war: Er könnte sich jeden nehmen, nicht nur die Toten!
    Ich musste die Leute hier rausschaffen.
    Und den Kreis wieder schließen.
    »Geh, Grace, du musst verschwinden!«, rief ich, ließ sie los und gab ihr einen Schubs. »Nimm den
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