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Der Kalte Kuss Des Todes

Der Kalte Kuss Des Todes

Titel: Der Kalte Kuss Des Todes
Autoren: Suzanne McLeod
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Jungen mit. Geh! Geh schon!«
    Ein Grollen ertönte, und der Boden unter unseren Füßen vibrierte.
    Grace starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an.
    Ich gab ihr noch einen Stoß und schrie: »Raus mit euch, alle raus, raus hier!«
    Ein Grollen, noch eine Erschütterung. Diesmal flogen Putz- und Mauerbrocken von der Gewölbedecke. Es klang, als wäre in einem der Tunnels eine Ladung Dynamit hochgegangen.
    »Was, zum Teufel, ist das?«, schrie die Motte erschrocken.
    »Feuerwerkskörper«, brüllte Bobby und blickte ängstlich zur Decke. »Die Trolle feiern oben auf der London Bridge eine Halloweenparty.«
    »Raus!«, brüllte ich. »Es ist Mitternacht!«

32. K apitel
    M itternacht.
    Allerheiligen.
    Die Zeit des Jahres, in der sich der Schleier zwischen der Welt der Toten und der Welt der Lebenden hebt und Dämonen erscheinen, um »Trick or Treat« zu spielen …
    Dieser spezielle Dämon erschien in einem smarten marineblauen Blazer und hellblauem Seidenhemd, das am Kragen offen stand. An seinen Manschetten blitzten daumennagelgroße herzförmige blaue Saphire. In seiner Brusttasche steckte ein blaues Seidentuch, das genau der Farbe seines Hemds entsprach. Er sah aus wie ein Snob, den es anstatt in den Ruderclub nach unten in die Katakomben der London Bridge verschlagen hatte.
    Seine durchdringend blauen Augen schimmerten kalt wie Eiszapfen.
    Der Dämon war in der Gestalt des Earls aufgetaucht, des einstigen Londoner Obervamps, des Vamps, den ich getötet hatte und der mich bis in meine Alpträume verfolgte.
    Ich versuchte, die Ironie an der Situation zu sehen, aber mein Hirn war wie betäubt vor Angst.
    »Meine liebe Genevieve, wie schön, dich wiederzusehen«, näselte er und grinste mich mit dem charmetriefenden Lächeln des Earls an, das dieser in Jahrhunderten so perfektioniert hatte, dass dem Gegenüber seine Fangzähne verborgen blieben. »Also, das ist ja alles höchst interessant hier.«
    Interessant war nicht das Wort, das ich ausgesucht hätte.
Bis auf die Motte und mich waren alle Anwesenden zu Salzsäulen erstarrt. Die Motte stand mit einem ängstlich-trotzigen Ausdruck neben Daryl. Stirnrunzelnd fragte ich mich, wieso sich der Dämon überhaupt die Mühe gemacht hatte, in der Gestalt des Earls zu erscheinen. Und wieso er so geschwätzig war. Dämonen reden nicht viel, sie machen sich gewöhnlich gleich an die Mahlzeit. Und dieser hier war nicht einmal an einen Bannkreis gebunden. Er war vogelfrei und konnte sich nehmen, wen immer er wollte. Warum also hatte er uns nicht längst verschlungen?
    Oder vielleicht war er ja tatsächlich der Earl und noch nicht so ganz an sein Dasein als Dämon gewöhnt.
    »Hast du dich jetzt in einen Dämon verwandelt, oder was?«, fragte ich, selbst überrascht, dass sich meine Stimme so ruhig anhörte.
    »Ach nein, meine Liebe, das ist bloß eine äußere Hülle, die ich angelegt habe. Ich fand seine Seele herrenlos in der Hölle herumirrend. Sie gefiel mir, und ich beschloss, mich in sie zu kleiden.« Er zupfte sein Taschentuch zurecht. »Ich dachte, du würdest diese Erscheinung zu schätzen wissen, da ihr ja bereits … miteinander zu tun hattet.« Er verzog leicht das Gesicht. »Obwohl, ich muss zugeben, dass seine Persönlichkeit nach der langen Zeit auf dieser irdischen Welt ein wenig zu sehr eingesickert ist – ich scheine ständig das Bedürfnis zu haben, über die Rechte der Vampire zu diskutieren. Ich finde das zugegebenermaßen ein wenig irritierend.«
    »Warum gehst du nicht in die Hölle zurück und ziehst dir was anderes an?«, schlug ich vor, mein Geistermesser unauffällig an der Seite haltend. Eine Idee begann vage in mir Gestalt anzunehmen; die Tunnels befanden sich auf der Südseite der Themse, der Fluss musste also im Norden liegen. »Lass dich von uns nicht aufhalten«, fügte ich hinzu.
    »Aber, aber! Unsere gemeinsame Zeit ist so kurz, ein Stündchen
nur, da kann ich mich nicht umziehen, wie du es auszudrücken beliebst. Also, dann kommen wir doch zum Geschäft.« Er rieb sich begierig die Hände. »Wie ich sehe, ist hier eine erlesene Kollektion von Seelen versammelt – nun, einige davon sind zwar schon reichlich fransig, aber mit der Jungfrau hier bin ich zufrieden.« Er trat an den reglosen Jüngling heran und schnupperte an seinem Hals. »Jungfrauen sind heutzutage so selten! Ist schon ein paar Jährchen her, seit man mir zuletzt eine geopfert hat.«
    »Kein Wunder, denn damit hat man im Mittelalter aufgehört«, bemerkte ich trocken und zog
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