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Der Kalte Kuss Des Todes

Der Kalte Kuss Des Todes

Titel: Der Kalte Kuss Des Todes
Autoren: Suzanne McLeod
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Grace dabei verstohlen den Rucksack herunter. Sie ließ es willenlos geschehen.
    Auf dem Wandgemälde war die untergehende Sonne zu sehen. Was immer der Zweck dieses Gemäldes sein mochte, es war in seiner Darstellung gewiss korrekt; kein Magier würde eine unrichtige Darstellung dulden, das würde seine Zauberkräfte stören. Wenn dort also Westen war – mein Blick fiel auf die danebenliegende Wand -, dann musste da Norden sein.
    » Nach dem Mittelalter, um genau zu sein«, bemerkte der Earl-Dämon penibel. »Aber darüber wollen wir jetzt nicht diskutieren. Was machst du da, meine Liebe?«
    Ich klemmte mir das Geistermesser unter den Arm, zog den Reißverschluss des Rucksacks auf und griff hinein.
    »Ich sehe nach, ob meine Freundin vielleicht Weihwasser mitgebracht hat.«
    »Hat sie nicht«, entgegnete er zufrieden. »Wie nachlässig von ihr.«
    Ich wühlte in dem Rucksack herum. Er hatte recht, es war kein Weihwasser dabei, aber danach suchte ich gar nicht. Ich ertastete eine Papiertüte mit einer Art Knete-Bällchen. Daneben gab es noch einen größeren Plastikbeutel, in dem sich dicke, feuchte Wattebällchen zu befinden schienen: die Zauber,
die Grace mitgebracht hatte. Dann waren da noch eine Flasche Wasser – leider kein geweihtes – und ein paar Medikamente und Verbandszeug und dergleichen, aber das alles nützte mir nichts.
    Nun gut, mal sehen, was ich mit den Zaubern erreichen konnte.
    Der Earl war inzwischen vor Maliks reglosem Körper stehen geblieben. Er stupste ihn mit der Schuhspitze an und nickte zufrieden. Dann schlenderte er weiter zu Darius und musterte ihn von oben bis unten wie etwas, das man zu kaufen überlegt. Er streckte die Hand aus und wollte den Reißverschluss von Darius’ Mantel runterziehen -
    »Oy, lass ihn in Ruhe!«, rief die Motte mutig.
    Der Earl riss fauchend den Mund auf, eine gähnende Öffnung, die unser ganzes Gesichtsfeld ausfüllte. Ich hatte das Gefühl, in einen bodenlosen, brodelnden Abgrund zu fallen, immer weiter und weiter, ohne je anzukommen, brennend, schreiend, ohne je sterben zu können.
    Und dann befanden wir uns auf einmal wieder in der Gewölbekammer, und der Schein der Kerzen fiel flackernd an die Decke. Meine Stirn war schweißnass, und ich spürte warmen, nassen Urin an meinen Schenkeln hinunterrinnen. Ein durchdringender Schwefelgeruch hing in der Luft, den nur Graces blumiges Parfüm ein wenig verdrängen konnte.
    Die Motte lag auf Händen und Knien und erbrach sich.
    Ich fürchtete schon, es ihr gleichtun zu müssen, biss aber entschlossen die Zähne zusammen, die Finger fest um den Plastikbeutel mit den Wattebällchen geschlossen. Ich schluckte mühsam. Mein Hals fühlte sich an, als hätte ich tatsächlich äonenlang geschrien.
    Der Earl zog ungerührt Darius’ Reißverschluss auf und schlug seinen Mantel auseinander. Nachdem er ihn ausgiebig gemustert hatte, schritt er zu Bobby, der vor Rosas Altar
stand. Er strich über sein Haar, packte seinen Zopf, wog ihn in der Hand. Dann beugte er sich vor und drückte einen Kuss auf Rosas geöffnete Lippen. Er richtete sich auf und schnippte wie beiläufig das Amulett an, das zwischen ihren Brüsten ruhte.
    Ich nahm eine Handvoll Wattebäuschchen heraus. Es waren Stachelbällchen – wenn mal wieder Einbrecher im Haus sind -, holte aus und warf sie nach ihm. Die Bällchen flogen wie ein Schwarm wütender Hornissen auf ihn zu, aber der Großteil flog vorbei und klatschte gegen die Wand, wo sie kleben blieben. Ein paar jedoch umkreisten ihn, dünne Fäden wie Fiberglas hinter sich herziehend. Er hob die Hand und verscheuchte sie mit einer lässigen Geste. Auch diese Bällchen prallten klatschend an die Wand hinter seinem Rücken.
    Er wandte sich mit einem fragenden, belustigten Ausdruck zu mir um.
    Mit wild klopfendem Herzen griff ich nun in die Papiertüte mit der Schlafknete. Ich nahm ein Kügelchen nach dem anderen heraus und versuchte, sie ihm ebenfalls an den Kopf zu werfen. Ein paar trafen den Steinaltar, wo sie wie Kaugummi kleben blieben; eine erwischte Bobby an der Backe und zerstob zu weißem Pulver. Ich zuckte zerknirscht zusammen: Das würde ihn für mindestens acht Stunden lahmlegen – falls er dann überhaupt noch lebte -, aber der Rest traf ebenfalls nur die Wand.
    »Genevieve, du glaubst doch nicht etwa, dass mir diese lächerlichen kleinen Zauber etwas anhaben können?« Er drehte sich mit einem tiefen Seufzer zu der Wand um. »Und zielen kannst du auch nicht, meine Liebe.«
    Ich ließ
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