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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs.
Autoren: Titus Müller
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in einem tiefen Grollen verebbte.
Godeoch
, schoß es ihm durch den Kopf. Er stürzte zum Fenster und sah auf den Hof hinab.
    Auf einem Falben kam der Graf durch das Hoftor geritten. Die Handwerker wichen ihm und den Pferden seiner Gefolgsleute ängstlich
     aus. Claudius stand allein in der Mitte des Hofes und blickte dem ungebetenen Gast entgegen. Der Reiter trug dunkle, metallbesetzte
     Handschuhe und führte am Körper und am Sattel die Auswahl einer ganzen Waffenschmiede mit sich: Schwerter in verschiedenen
     Größen, Dolche, eine Kriegsaxt. Seine schwarzen Haare wallten wie eine Fahne über seinen Kopf und seine Schultern, und die
     Augen blitzten, als er dem Bischof entgegenwarf: »So geht Ihr mit Turiner Bürgern um? Ihr schickt sie fort?«
    »Auch Euch, und zwar im Handumdrehen.«
    Wieder erscholl das meckernde Lachen. Der Graf sprang vom Pferd, gab einem seiner Männer die Zügel in die Hand und lief auf
     den Bischof zu. Godeochs Schritte waren furchtlos, die Linke hielt den Schwertknauf, um die Klinge |39| ruhig zu halten. Bis zum Fenster hinauf konnte Biterolf das Wildleder knirschen hören, in das der Graf gekleidet war. Vor
     dem Bischof hielt er an und neigte den Oberkörper vor. »Ehrwürden.«
    »Wer gibt mir die Ehre?«
    »Godeoch, comes von Turin, wie sein Vater und dessen Vater es waren.«
    »Soso, deshalb sorgt Ihr Euch um die Turiner Handwerksmeister.«
    Ein breites Lächeln spannte sich über das Gesicht des Grafen. Er zog den Handschuh von der Linken und fuhr sich mit der befreiten
     Hand durch die Haare, während er den Blick über den Hof schweifen ließ. »Ihr seid gut gereist?«
    »Leidlich. Einige Unwetter. In den Bergen hat sich ein Faß mit Pökelfleisch vom Wagen gelöst und ist in die Tiefe gestürzt.
     Männer und Pferde sind aber sämtlich heil angekommen.«
    »Man sollte es erwarten, bei einem Diener des Herrn.«
    »Wohl möglich.«
    »Wir müssen uns in den nächsten Tagen unbedingt zu einem Mahl zusammenfinden. Sobald Ihr Euch eingerichtet habt. Ihr werdet
     sicher froh sein, wenn ich zunächst die Geschäfte der Stadt führe und Ihr Eure Zeit für die verstreuten Eigenländereien Eures
     Sprengels nutzen könnt.«
    »Die Geschäfte der Stadt? Ihr wollt Turin alleinig regieren?«
    Godeochs Hand strich an der Seite seines Körpers herunter. »Was steht mir in Euren Augen zu?«
    Der Bischof schwieg einen Moment. »Wir sollten zu einem anderen Zeitpunkt darüber reden.«
    »Mir scheint, Ihr laßt Fragen offen, die längst beantwortet sind.«
    »Sind sie das? Ich meine, ein anderer Zeitpunkt ist besser geeignet, das zu besprechen.«
    Nachdem er das Gesicht des Bischofs gemustert hatte, |40| nickte Godeoch. »Wie Ihr meint.« Ohne Abschiedsgruß machte der Graf kehrt und lief zu den Pferden zurück. Er saß auf den Falben
     auf, nahm die Zügel von seinem Gefolgsmann entgegen, ohne hinzusehen.
    »Täuscht Euch nicht, Gottesmann, im Gegensatz zu anderen Grafen in Norditalien bin ich kein verweichlichter Franke, sondern
     ein Langobarde! Ich vertrete das Volk dieser Gegend, und man liebt mich dafür. Ihr werdet keine guten Tage haben in Turin,
     wenn Ihr Euch mir entgegenstellt.«
    »Tage? Ich bin für Jahre gekommen, das wißt Ihr.«
    »Unter meinen Vorfahren sind römische Senatoren! Mein Vater hat Turin beherrscht, und ich werde mir da von Euch nicht hineinregieren
     lassen.« Als Claudius nichts antwortete, wendete der Graf aufwendig sein Pferd und verließ mit den anderen Berittenen den
     Hof.
    Biterolf beobachtete, wie sich die Handwerker an den Wänden entlang aus dem Hof stahlen. Er sah, wie Claudius sich langsam
     umdrehte und mit gemessenen Schritten zum Palasteingang lief. Rasch zog er sich vom Fenster zurück, aber schon öffnete sich
     die Tür, und der Bischof betrat wieder den Raum. Er schien Biterolf gar nicht zu bemerken, kniete sich wortlos vor eine weitere
     Truhe, öffnete sie.
    Der Schreiber wollte zur Tür schleichen, da fesselte ein sonderbarer Anblick seinen Körper: Claudius hatte aus der Kiste ein
     Beil hervorgeholt, in einer geschwungenen Form, wie sie Biterolf noch nie gesehen hatte. Der Bischof legte es behutsam auf
     das Bettlager. Dann griff er wieder in die Truhe und trug eine metallbeschlagene Keule zum Bett. Erneut faßten die Hände des
     Bischofs hinab, und dieses Mal kamen sie mit einem Helm zum Vorschein. So ging es fort und fort – Biterolfs Gedanken stockten
     beim bloßen Betrachten all der Waffen, Rüstungsteile, seltsamen Geräte, von denen
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