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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Meilensteine verstümmelte Leichname waren.

Zwölftes Kapitel: Die Irrfahrten in der Wildnis (Fortsetzung)
    Die Erzählung Mountains, wie sie Sir William Johnson und meinem Lord vorgetragen wurde, war natürlich ohne alle Einzelheiten über den früheren Abschnitt der Expedition, die als ereignislos dargestellt wurde, bis zur Erkrankung des Junkers. Aber der letzte Teil wurde so stark aufgetragen, der Sprecher sichtbar so von seinen Erinnerungen gepackt, daß bei dem lebhaften persönlichen Interesse eines jeden Zuhörers alle in dieselbe Erregung gerieten. Mountains Bericht veränderte nicht nur für Lord Durrisdeer die ganze Welt, sondern bestimmte auch wesentlich die Pläne von Sir William Johnson.
    Diese Pläne muß ich nach meiner Ansicht dem Leser ausführlich darlegen. In Albany waren Gerüchte von fragwürdiger Bedeutung eingetroffen, man hatte die Nachricht verbreitet, daß Feindseligkeiten ausbrechen würden, und der Indianerdiplomat war daraufhin in die Wildnis geeilt, ungeachtet des drohenden Winters, um das Unheil im Keime zu ersticken. Hier an den Grenzen merkte er, daß er zu spät kam, und der Mann,der im allgemeinen nicht kühner als klug war, stand vor einer schwierigen Entscheidung. Sein Verhältnis zu den bemalten Kriegern kann man mit dem des Lord-Präsidenten Culloden zu den Führern unserer Hochländerregimenter im Jahre 1745 vergleichen. Man kann sagen, daß er für diese Leute die einzige Stimme der Vernunft war, und nur sein Einfluß vermochte Frieden und Mäßigung herbeizuführen, falls sie überhaupt noch herbeizuführen waren. Wenn er also umkehrte, war das Land den entsetzlichen Tragödien indianischer Kriegsführung ausgeliefert: die Häuser wurden in Brand gesetzt, die Reisenden abgeschnitten, und die Bewohner der Wälder sammelten ihre entsetzliche Beute, menschliche Skalps. Andererseits kann man leicht verstehen, daß seine Seele zurückschreckte vor dem Äußersten, nämlich weiter vorzurücken, einen so kleinen Trupp Menschen in der Wildnis aufs Spiel zu setzen und Worte des Friedens kriegführenden Wilden vorzutragen, die mit Freuden wieder den Kriegspfad beschritten hatten.
    »Ich bin zu spät gekommen«, sagte er mehr als einmal und verfiel in tiefes Nachdenken, den Kopf in die Hände gestützt und mit den Füßen den Boden stampfend.
    Schließlich erhob er das Haupt und blickte uns an, das heißt den Lord, Mountain und mich, die wir rund um ein kleines Feuer saßen, das wir, um allein zu sein, in einer Ecke des Lagers angezündet hatten.
    »Mein Lord, um ganz offen Ihnen gegenüber zu sein, ich befinde mich in einem Zwiespalt«, sagte er. »Ich halte es für sehr nützlich, wenn ich weiterziehe, aber fürdurchaus unangebracht, das Vergnügen Ihrer Gesellschaft noch länger zu genießen. Wir sind hier ja in der Nähe des Wassers, und nach Süden zu wandern ist nicht sehr gefährlich. Wollen Sie und Mr. Mackellar nicht Leute für ein einzelnes Boot nehmen und nach Albany zurückkehren?«
    Der Lord hatte Mountains Erzählung zugehört, indem er ihn die ganze Zeit mit qualvoll scharfen Blicken beobachtete, und als der Bericht vorüber war, saß er da wie im Traum. In seinem Blick lag etwas Drohendes, etwas, was meinen Augen nicht ganz menschlich schien, sein Gesicht war mager, finster und gealtert, der Mund schmerzverzogen, die Zähne ständig entblößt, der Augapfel schwamm über den Lidern in einem blutdurchfurchten Weiß. Ich konnte ihn nur mit bebender Erregung ansehen, die sehr häufig mit dem stärksten Mitgefühl für die Erkrankung eines Menschen verbunden ist, der uns lieb ist. Die andern waren, wie ich feststellen mußte, kaum noch imstande, seine Nähe zu ertragen. Sir William vermied seine Gesellschaft, Mountain wandte den Blick ab, zögerte und hielt inne in seinem Bericht, wenn er das Auge des Lords traf. Bei der Anrede Sir Williams schien der Lord jedoch die Gewalt über sich zurückzugewinnen.
    »Nach Albany?« sagte er mit beherrschter Stimme.
    »Jedenfalls nicht weit davon«, erwiderte Sir William. »Näherbei sind Sie nicht in Sicherheit.«
    »Ich möchte sehr ungern zurückkehren«, sagte der Lord. »Ich fürchte mich nicht – vor Indianern«, fügte er mit Nachdruck hinzu.
    »Ich möchte das auch sagen können«, entgegnete Sir William lächelnd, »und ich bin gewiß der einzige, der es sagen dürfte. Sie müssen jedoch die Verantwortung in Betracht ziehen, die ich trage, und bedenken, daß die Reise jetzt sehr gefährlich geworden ist und Ihr Ziel, wenn
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