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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Tatsächlich war das eine Liebhaberei dieses mißratenen Theologiestudenten, und er hatte sich eifrig mit dieser Wissenschaft befaßt. Hastie untersuchte ihn, und da er gleichzeitig geschmeichelt, unwissend und höchst mißtrauisch war, konnte er nicht feststellen, ob der Mann wirklich krank sei oder simuliere. So ging er wieder zu seinen Spießgesellen zurück und verkündete, da ihm das auf alle Fälle am meisten Ansehen eintragen mußte, daß der Kranke wahrscheinlich sterben müsse.
    »Trotzdem«, fügte er fluchend hinzu, »und wenn er auf dem Wege platzt, soll er uns heute morgen zu dem Schatz führen.«
    Aber im Lager waren mehrere, darunter auch Mountain, die diese Brutalität empörte. Sie hätten ohne das geringste Gefühl des Mitleids zugesehen, wenn der Junker erschossen worden wäre, sie hätten ihn auch selbst erschossen, aber sie schienen beeinflußt zu sein von seinem tapferen Kampf und seiner Niederlage in der Nacht zuvor. Vielleicht waren sie auch bereits gegen den neuen Führer etwas aufgebracht, jedenfalls erklärten sie jetzt, daß der Mann, wenn er wirklich krank sei, einen Tag Ruhe haben solle, trotz Hasties Drohungen.
    Am nächsten Morgen ging es ihm anscheinend noch schlechter, und selbst Hastie begann ein menschliches Rühren zu zeigen: so leicht erregt selbst der Vorwand ärztlicher Behandlung Sympathie. Am dritten Tage rief der Junker Mountain und Hastie ins Zelt, sagte ihnen, er müsse sterben, gab ihnen alle Einzelheiten an überdie Lage des Schatzes und flehte sie an, sogleich mit der Suche zu beginnen, damit sie feststellen könnten, ob er sie hinters Licht führe, und damit er, wenn sie zunächst noch erfolglos wären, Irrtümer aufklären könne.
    Hier nun erhob sich eine Schwierigkeit, mit der er ohne Zweifel gerechnet hatte. Keiner dieser Leute traute dem anderen, keiner war bereit zurückzubleiben. Andererseits war es immerhin möglich, daß die Krankheit nur vorgespiegelt war, obgleich der Junker außerordentlich schwach schien, kaum noch flüsterte, wenn er sprach, und fast die ganze Zeit bewußtlos dalag. Wenn nun alle auf die Schatzsuche auszogen, konnte es sein, daß sie einer Ente nachjagten und bei ihrer Rückkehr den Gefangenen nicht mehr vorfanden. Sie beschlossen daher, sich nichtstuerisch in der Nähe des Lagers herumzutreiben und gaben vor, sie hätten Mitgefühl. Sicherlich waren manche von ihnen auch wirklich gerührt, wenn auch nicht tief, von der natürlichen Gefahr, in der der Mann schwebte, dem sie feige nach dem Leben trachteten – so gemischt sind unsere Empfindungen. Nachmittags wurde Hastie zur Lagerstatt gerufen, um Gebete zu sprechen, was er, so unglaublich es klingt, salbungsvoll tat. Ungefähr um acht Uhr abends zeigte das Wehklagen Secundras an, daß alles vorüber sei, und vor zehn Uhr war der Inder schon dabei, das Grab auszuschaufeln beim Lichte einer Fackel, die er in den Boden gesteckt hatte. Bei Sonnenaufgang am nächsten Tage wurde der Junker begraben, und alle Leute wohnten der Beerdigung in guter Haltung bei. Der Körper wurde in die Erde gelegt, eingehüllt in einen Pelz, nur dasGesicht frei; es war von wächserner Blässe, und die Nasenlöcher waren nach irgendeinem orientalischen Brauch von Secundra verstopft worden. Kaum war das Grab zugeworfen, als das Wehklagen des Inders alle Herzen von neuem bewegte, und es scheint, als ob diese Horde von Mördern ihm nicht nur keine Vorwürfe machten wegen seines Schreiens, obgleich es niederdrückend und in solcher Umgebung gefährlich war für ihre eigene Sicherheit, sondern in rauher, aber freundlicher Weise ihn zu trösten versuchten.
    Wenn nun auch die menschliche Natur selbst bei den Schlechtesten gelegentlich weich wird, so ist sie doch vor allen Dingen habgierig, und bald wandten sie sich von dem Leidtragenden ab und ihrem eigenen Ziele zu. Da das Versteck des Schatzes in der Nähe sein sollte, wenn es auch noch nicht entdeckt war, so beschloß man, das Lager nicht aufzulösen, und der Tag verstrich in ergebnislosem Absuchen der Wälder, während Secundra auf dem Grab seines Herrn lag. In jener Nacht wurden keine Wachen ausgesetzt, sondern alle lagen zusammen rund um das Feuer, die Köpfe nach außen, gleich den Speichen eines Rades, wie es Sitte ist in diesen Urwäldern. Der Morgen fand sie in derselben Lage, nur Pinkerton, der zur Rechten Mountains lag, zwischen ihm und Hastie, war in den Stunden der Finsternis auf geheimnisvolle Weise ermordet worden. Er lag noch da in seinem Mantel, aber
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