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Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)

Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)

Titel: Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)
Autoren: John Boyne
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stellte enttäuscht fest, dass es in Strömen goss. Wäre es nicht die letzte Gelegenheit für ihn und Schmuel gewesen, einen Nachmittag miteinander zu verbringen – zumal mit einem aufregenden Abenteuer, für das er sich verkleiden musste –, dann hätte er den Plan aufgegeben und auf einen Nachmittag in der folgenden Woche verschoben, wenn er nichts Besonderes vorhatte.
    Doch die Uhr lief weiter, und er konnte nichts ändern. Schließlich war es noch früh, und bis zu ihrem Treffen am Spätnachmittag konnte noch viel passieren.
    Morgens beim Unterricht mit Herrn Liszt schaute er aus dem Fenster, aber der Regen schien nicht nachzulassen und prasselte sogar laut an die Scheiben. Als Bruno beim Mittagessen in der Küche aus dem Fenster sah, schien der Regen endlich schwächer zu werden, und hinter einer schwarzen Wolke zeigte sich sogar ein Hauch von Sonne. Im Geschichts- und Erdkundeunterricht am Nachmittag verfolgte er das Wetter weiter; der Regen erreichte jetzt seine stärkste Kraft und drohte die Scheiben einzudrücken.
    Zum Glück hörte es zu regnen auf, als Herr Liszt ging, und so zog Bruno ein Paar Stiefel und seinen dicken Regenmantel an, wartete bis die Luft rein war und schlich aus dem Haus.
    Seine Stiefel quatschten im Matsch, und er genoss den Spaziergang mehr als jemals zuvor. Bei jedem Schritt hatte er das Gefühl, gleich zu stolpern und hinzufallen, aber er hatte Glück und konnte sein Gleichgewicht halten, selbst an einer besonders schlimmen Stelle, an der sein Stiefel, als er das linke Bein hob, im Schlamm stecken blieb und sein Fuß herausrutschte.
    Er schaute in den Himmel, der immer noch sehr dunkel war, aber Bruno war überzeugt, dass es für einen Tag genug geregnet und er am Nachmittag nichts mehr zu befürchten hatte. Natürlich würde er beim Nachhausekommen erklären müssen, warum er so schmutzig war, aber das konnte er darauf schieben, dass er eben ein typischer Junge war, wie Mutter immer behauptete, und damit vermutlich den größten Ärger abwenden. (Mutter war in den vergangenen paar Tagen besonders glücklich gewesen, als sie sah, wie jede Schachtel mit ihren Habseligkeiten versiegelt und für den Transport nach Berlin auf einen Lastwagen geladen wurde.)
    Als Bruno ankam, wartete Schmuel bereits auf ihn, aber er saß zum ersten Mal nicht im Schneidersitz auf dem Boden und starrte in den Schmutz, sondern stand da und lehnte am Zaun.
    »Hallo, Bruno«, sagte er, als er seinen Freund kommen sah. »Hallo, Schmuel«, erwiderte Bruno.
    »Ich war mir nicht sicher, ob wir uns nochmal wiedersehen – bei dem Regen und allem, meine ich«, sagte Schmuel. »Ich dachte, du musst vielleicht zu Hause bleiben.«
    »Eine Weile stand es auf der Kippe«, sagte Bruno. »Das Wetter war schrecklich.«
    Schmuel nickte und zeigte seinem Freund, was er mitgebracht hatte. Bruno öffnete erfreut den Mund; es waren eine gestreifte Hose, eine gestreifte Jacke und eine gestreifte Stoffmütze, genau wie Schmuel sie trug. Die Sachen sahen nicht besonders sauber aus, aber Bruno wusste, dass gute Forscher stets die richtige Kleidung trugen.
    »Willst du mir immer noch helfen, Papa zu suchen?«, fragte Schmuel, und Bruno nickte rasch.
    »Natürlich«, sagte er, obwohl Schmuels Papa für ihn weniger wichtig war als die Aussicht, die Welt auf der anderen Seite des Zauns zu erforschen. »Ich würde dich nie im Stich lassen.«
    Schmuel hob das untere Zaunende vom Boden, reichte Bruno die Sachen unten durch und achtete besonders darauf, dass sie nicht den schlammigen Boden berührten.
    »Danke«, sagte Bruno, kratzte sich an seinem stoppeligen Kopf und fragte sich, wie er nur vergessen konnte, eine Tüte für seine eigenen Kleider mitzubringen. Der Boden war so schmutzig, dass sie ruiniert wären, wenn er sie am Zaun liegen ließ. Aber er hatte keine Wahl. Er konnte sie hierlassen und sich damit abfinden, dass sie später völlig schlammverschmiert waren; oder er blies die Sache ab, und das kam, wie jeder Forscher weiß, nicht in Frage.
    »Dreh dich um«, sagte Bruno und zeigte auf seinen Freund, während er verlegen dastand. »Ich will nicht, dass du mir zusiehst.«
    Schmuel gehorchte, und Bruno zog seinen Mantel aus und legte ihn so vorsichtig wie möglich auf die Erde. Dann zog er sein Hemd aus, zitterte kurz in der kalten Luft und schlüpfte rasch in die gestreifte Jacke. Als sie über seinen Kopf glitt, machte er den Fehler, durch die Nase zu atmen – sie roch nicht sehr gut.
    »Wann ist die zum letzten Mal
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