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Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)

Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)

Titel: Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)
Autoren: John Boyne
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der Welt nicht verstehen, was seinem Sohn zugestoßen war. Es war, als wäre er einfach vom Erdboden verschluckt worden und hätte nur seine Kleider zurückgelassen.
    Mutter kehrte nicht so schnell nach Berlin zurück, wie sie es sich erhofft hatte. Sie blieb noch ein paar Monate in Aus-Wisch und wartete auf Nachrichten von Bruno, bis ihr eines Tages plötzlich der Gedanke kam, er könnte sich auf eigene Faust nach Hause durchgeschlagen haben. Sie fuhr auf der Stelle zu ihrem alten Haus zurück und rechnete halbwegs damit, dass er auf der Türschwelle saß und auf sie wartete.
    Natürlich war er nicht da.
    Gretel kehrte mit Mutter nach Berlin zurück und verbrachte viele Stunden weinend auf ihrem Zimmer, nicht weil sie alle ihre Puppen weggeworfen oder sämtliche Landkarten in Aus-Wisch gelassen hatte, sondern weil ihr Bruno schrecklich fehlte.
    Vater blieb noch ein Jahr in Aus-Wisch und war sehr unbeliebt bei den anderen Soldaten, die er gnadenlos herumschikanierte. Jeden Abend schlief er in Gedanken an Bruno ein und wachte jeden Morgen in Gedanken an ihn auf. Eines Tages legte er sich eine Theorie zurecht, wie sich alles abgespielt haben könnte, und er ging zu der Stelle im Zaun, wo man ein Jahr zuvor den Kleiderhaufen gefunden hatte.
    An der Stelle war nichts Auffälliges oder Ungewöhnliches, doch dann forschte er ein wenig nach und stellte fest, dass das untere Zaunende nicht ordentlich im Boden verankert war wie überall sonst, und dass, wenn man es hochhob, sich eine Lücke auftat, durch die eine sehr kleine Person (beispielsweise ein sehr kleiner Junge) durchkriechen konnte. Er blickte in die Ferne und ging das Ganze logisch durch, Schritt für Schritt für Schritt, und als seine Beine irgendwie versagten und ihm war, als könnten sie ihn nicht mehr tragen, setzte er sich fast an genau der gleichen Stelle auf den Boden wie Bruno ein Jahr lang jeden Nachmittag, nur die Beine verschränkte er nicht zum Schneidersitz.
    Ein paar Monate danach kamen andere Soldaten nach Aus-Wisch und befahlen ihm, sie zu begleiten. Er ging klaglos mit ihnen und war sogar froh, denn ihm war ziemlich egal, was sie mit ihm anstellten.
    Dies ist das Ende der Geschichte von Bruno und seiner Familie. Natürlich geschah dies alles vor langer Zeit, und etwas Ähnliches könnte nie wieder passieren.
    Nicht in diesen Tagen. Nicht in diesem Zeitalter.

Danksagung
    Mein Dank geht an David Fickling, Bella Pearson und Linda Sargent für die vielen Ratschläge, scharfsinnigen Hinweise und die Hartnäckigkeit, mit der sie darauf achteten, dass ich mich immer auf die Geschichte konzentriere. Und an meinen Agenten Simon Trewin, der dieses Buch von Anfang an unterstützte.
    Außerdem danke ich meiner alten Freundin Janette Jenkins für ihren großen Zuspruch, den sie mir nach der Lektüre einer frühen Fassung zukommen ließ.

Nachwort
    Im April 2004 hatte ich ein Bild vor Augen, in dem zwei Jungen auf jeweils einer Zaunseite sitzen. Man hatte sie von ihrem Zuhause und ihren Freunden weggeholt und – getrennt voneinander – an einen schrecklichen Ort verfrachtet. Beide wussten sie nicht, was sie dort sollten, aber ich wusste es, und deshalb wollte ich die Geschichte dieser beiden Jungen erzählen. Ich nannte sie Bruno und Schmuel.
    Über den Holocaust zu schreiben ist eine umstrittene Angelegenheit, und jeder Schriftsteller, der sich mit dem Thema befasst, sollte sich seiner Absichten sehr bewusst sein, bevor er zu schreiben beginnt. Es ist vermessen anzunehmen, dass die Schrecken der Konzentrationslager aus heutiger Sicht wirklich begreifbar wären, und dennoch ist es die Pflicht eines jeden Autors, innerhalb dieser Landschaft des Grauens möglichst viel emotionale Wahrheit zu zeigen.
    Beim Schreiben und Überarbeiten des Buches war ich überzeugt, dass es für mich nur einen respektvollen Weg gibt, mich dem Thema zu nähern: durch die Augen eines Kindes, und zwar eines sehr naiven Kindes, das die schrecklichen Geschehnisse um es herum nicht versteht. Denn schließlich können nur die Opfer und Überlebenden die Gräuel jener Zeit an jenem Ort wirklich begreifen; wir anderen leben auf der anderen Zaunseite, starren von unserem sicheren Platz aus hinüber und versuchen auf unsere unbeholfene Art, aus dem Ganzen schlau zu werden.
    Auch heute gibt es noch Zäune wie den, der im Zentrum von Der Junge im gestreiften Pyjama steht; es ist unwahrscheinlich, dass sie jemals ganz verschwinden werden. Doch ganz gleich, wie die Reaktionen auf diese
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