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Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)

Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)

Titel: Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)
Autoren: John Boyne
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dich nie wieder?«, fragte Schmuel.
    »Doch, eines Tages schon«, sagte Bruno. »Du könntest in den Ferien nach Berlin kommen. Schließlich kannst du hier nicht ewig bleiben. Oder?«
    Schmuel schüttelte den Kopf. »Vermutlich nicht«, sagte er traurig. »Wenn du fort bist, kann ich mit niemandem mehr reden«, setzte er hinzu.
    »Nein«, sagte Bruno. Er hätte gern noch gesagt: Du wirst mir auch fehlen, Schmuel, merkte aber, dass ihm das zu peinlich war. »Morgen sehen wir uns also zum letzten Mal«, fuhr er fort. »Dann müssen wir uns verabschieden. Ich versuche, dir etwas besonders Leckeres mitzubringen.«
    Schmuel nickte, fand aber keine Worte, die seinen Kummer auszudrücken vermochten.
    »Ich wünschte, wir hätten zusammen spielen können«, sagte Bruno nach einer Weile. »Nur einmal. Nur damit wir uns daran erinnern können.«
    »Das fände ich auch schön«, sagte Schmuel.
    »Über ein Jahr haben wir miteinander geredet und nicht ein einziges Mal gespielt. Und weißt du noch etwas?«, fragte er. »In der ganzen Zeit konnte ich von meinem Zimmerfenster aus beobachten, wo du lebst, aber ich konnte mich nie mit eigenen Augen überzeugen, wie es wirklich dort aussieht.«
    »Es würde dir nicht gefallen«, sagte Schmuel. »Bei dir ist es sicher viel schöner.«
    »Trotzdem hätte ich es gern gesehen«, sagte Bruno.
    Schmuel dachte kurz nach, griff dann unten an den Zaun und hob ihn leicht an, gerade so hoch, dass ein kleiner Junge von der Größe und Statur Brunos durchpassen würde.
    »Und?«, sagte Schmuel. »Warum kommst du dann nicht?«
    Bruno blinzelte und überlegte. »Ich glaube, das darf ich nicht«, sagte er zweifelnd.
    »Vermutlich darfst du auch nicht jeden Tag hierherkommen und mit mir reden« sagte Schmuel. »Und trotzdem machst du es, oder?«
    »Aber wenn ich erwischt werde, kriege ich Ärger«, sagte Bruno. Er war sicher, Mutter und Vater würden das nicht gutheißen.
    »Stimmt«, sagte Schmuel, ließ den Zaun wieder los und blickte mit Tränen in den Augen zu Boden. »Dann sehen wir uns morgen und verabschieden uns.«
    Beide Jungen schwiegen einen Moment. Plötzlich hatte Bruno einen Geistesblitz.
    »Es sei denn ...«, setzte er an, dachte kurz nach und ließ einen Plan Gestalt annehmen. Er fasste sich an den Kopf und befühlte die Haut, wo früher sein Haar war, jetzt aber nur noch nicht ganz nachgewachsene Stoppeln. »Du hast gesagt, ich sehe aus wie du, weißt du noch?«, fragte er Schmuel. »Als mein Kopf kahlgeschoren wurde.«
    »Nur dicker«, räumte Schmuel ein.
    »Wenn das der Fall ist«, sagte Bruno, »und wenn ich auch einen gestreiften Pyjama hätte, dann könnte ich auf einen Besuch rüberkommen, ohne dass jemand es spitzkriegt.«
    Schmuels Gesicht leuchtete auf, und er grinste von einem Ohr zum anderen. »Meinst du wirklich?«, fragte er. »Würdest du das machen?«
    »Natürlich«, sagte Bruno. »Das wäre ein großes Abenteuer. Unser letztes Abenteuer. Dann könnte ich ein bisschen forschen.«
    »Und du könntest mir helfen, Papa zu suchen«, sagte Schmuel.
    »Warum nicht?«, sagte Bruno. »Wir drehen eine Runde und sehen, ob wir Spuren finden. Das ist immer ratsam, wenn man forscht. Das einzige Problem dürfte sein, wie wir an einen zweiten gestreiften Anzug kommen.«
    Schmuel schüttelte den Kopf. »Das ist einfach«, sagte er. »Da ist eine Baracke, in der bewahren sie Kleidung auf. Ich kann einen in meiner Größe besorgen und mitbringen. Dann kannst du dich umziehen, und wir suchen Papa.«
    »Wunderbar«, sagte Bruno, mitgerissen von der Begeisterung des Augenblicks. »Dann ist das abgemacht.«
    »Wir treffen uns morgen zur gleichen Zeit«, versprach Schmuel.
    »Aber komm nicht wieder zu spät«, sagte Bruno, stand auf und staubte sich ab. »Und vergiss den gestreiften Pyjama nicht.«
    An jenem Nachmittag gingen die beiden Jungen in bester Stimmung nach Hause. Bruno freute sich auf ein großes bevorstehendes Abenteuer und die Gelegenheit, endlich zu sehen, was sich wirklich auf der anderen Seite des Zauns befand, bevor er nach Berlin zurückkehrte – ganz zu schweigen davon, dass er nebenbei noch ernsthaft forschen konnte. Und Schmuel sah die Chance, dass ihm jemand bei der Suche nach seinem Papa half. Alles in allem schien das ein sehr vernünftiger Plan und eine gute Möglichkeit, sich zu verabschieden.

Kapitel neunzehn

    Was am nächsten Tag geschah
    Am nächsten Tag – einem Freitag – regnete es wieder. Als Bruno morgens aufwachte, schaute er aus dem Fenster und
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