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- Der Jünger des Teufels

- Der Jünger des Teufels

Titel: - Der Jünger des Teufels
Autoren: Glenn Meade
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Clay. »Gemal hat vor einer
halben Stunde seine Henkersmahlzeit bekommen. Meistens wird Pizza gewünscht,
doch Gemal entpuppte sich als Gourmet. In Olivenöl angebratenes Rinderherz mit
einer kleinen Portion foie gras. Salzkartoffeln
in Knoblauch und Rosmarinbutter geschwenkt. Crême brulée. Eine halbe Flasche
kalifornischen Merlot. Ach ja, und eine Tüte Fruchtgummi.« Clay zuckte mit den
Schultern. »Es ist das erste Mal, dass jemand ein Rinderherz verlangt hat.«
    Ich fröstelte, als ich mich zu Clay an den Tisch setzte. »Ein
üppiges Mahl.«
    »Verzeihen Sie, aber ich habe Sie gar nicht gefragt, ob Sie
einen Kaffee möchten, Miss Moran.«
    »Nein, danke.«
    Clay schenkte mir ein verhaltenes Lächeln. »Ich esse nie
vor einer Hinrichtung zu Abend. Aber Kaffee hält mich fit. Seitdem ich um sechs
Uhr aufgestanden bin, habe ich mindestens zehn Tassen getrunken. Ich könnte
noch eine vertragen.«
    »Sind Sie nervös?«
    Clay hob seine sorgfältig gestutzten grauen Augenbrauen.
    »Gott bewahre! Ich fürchte, ich bin süchtig nach Koffein.«
    Der Gefängnisdirektor schien trotz seiner Koffeinsucht
tatsächlich nicht nervös zu sein, doch plötzlich bemerkte ich, dass er mit
seinen schlanken Fingern auf die Tischplatte trommelte.
    »Haben Sie noch etwas auf dem Herzen, Mr Clay?«
    Die Frage schien ihm unangenehm zu sein. Er starrte auf einen
fernen Punkt auf der Wand. Es dauerte einen Moment, bis er mir wieder den Blick
zuwandte. »Nun, Gemals Angebot eines Geständnisses überrascht mich ebenso wie
Sie. Sie fragen sich jetzt bestimmt, warum er bis zum letzten Moment damit
gewartet hat. Er hatte lange genug Gelegenheit, eine Aussage zu machen.«
    »Ich dachte, Geständnisse in letzter Minute seien im
Todestrakt nicht ungewöhnlich.«
    »Stimmt, das kommt vor. Trotzdem habe ich bei einem so brutalen
Killer nicht damit gerechnet.«
    Ich auch nicht. Hatte Gemal noch einen Trumpf im Ärmel? Ehe
ich näher darüber nachdenken konnte, schaute Clay mir in die Augen. »Es ist
kaum anzunehmen«, sagte er leise, »dass er sich mit Gott versöhnt hat. Dass es
eine Bitte um Vergebung ist.«
    Ganz sicher nicht. Der Mann, der gleich hingerichtet werden
sollte, war seit John Gacy und Ted Bundy der vermutlich bösartigste
Serienkiller. Nachdem Gemal vor fünfzehn Jahren als Dreiundzwanzigjähriger
in die US A immigriert war, hatte er eine Mordserie verübt,
die neunundzwanzig Opfer gefordert hatte.
    Doch Gemal hatte seinen Modus operandi schon vor zwanzig
Jahren entwickelt, als er in Istanbul die ersten Morde an seinem Vater und
seiner Schwester begangen hatte. Auf Gemal war damals kein Verdacht gefallen,
und sein genaues Motiv blieb stets rätselhaft. Sein Vater, der eine
Schlachterei betrieb, war als armenischer Immigrant in die Türkei gekommen. Er
schlachtete das Vieh im Keller selbst. Als Kind schlich Gemal oft hinunter und beobachtete
seinen Vater bei der Arbeit. Irgendetwas in dem düsteren, unterirdischen
Schlachthaus und der Anblick des gewaltsamen Todes der Tiere hatten dazu
geführt, dass die in Gemals krankem Hirn bereits vorhandene Anlage zur
Grausamkeit sich voll entfaltete. Bei allen seinen späteren Morden versuchte er,
jene düsteren Augenblicke, die er beim Gemetzel an seinem Vater und seiner
Schwester erlebt hatte, neu zu erschaffen. Nach ihrer Ermordung war er in Panik
geraten und hatte im Keller Feuer gelegt, um alles zu vertuschen. Es war der
verzweifelte Versuch des Jugendlichen, die Leichen und Beweise zu vernichten,
doch das Feuer wurde von Nachbarn gelöscht, die dafür sorgten, dass die Flammen
sich nicht ausbreiteten. Diese ersten Morde weckten in Gemal eine Lust am
Töten, die bis zum Ende andauern sollte.
    »Menschen wie Gemal sind eine Perversion der menschlichen
Rasse, Mr Clay. Sie sind die dunkle, bösartige Seite der menschlichen Natur,
und sie stehen Gott so fern wie das abgrundtief Böse. Vor allem die Brutalität,
mit der dieser Mann seine Opfer getötet hat, ist unfassbar. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass eine solche Bestie plötzlich zum Glauben findet. Sie etwa?
Oder haben Ihre Erfahrungen im Gefängnis Sie gelehrt, dass ein Mensch sich in
letzter Minute völlig verändern kann?«
    Clay entging weder der bittere Beiklang in meiner Stimme noch,
dass er eine empfindliche Stelle getroffen hatte, denn er streckte den Arm aus
und strich mir über die Hand. Seine bleiche Haut fühlte sich nicht weich,
sondern erstaunlich rau an. »So ungewöhnlich ist es nicht, dass Mörder in
letzter Minute um
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