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- Der Jünger des Teufels

- Der Jünger des Teufels

Titel: - Der Jünger des Teufels
Autoren: Glenn Meade
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Vergebung bitten oder weitere Verbrechen beichten. Doch ich muss
gestehen, dass ich mich oft über Gemal gewundert habe, seit er hier bei uns
einsitzt. Vielleicht sehen Sie es anders, aber ich finde, seinem Fall haftet
eine gewisse Tragik an.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Nun, man könnte sich fragen, ob es eine Ironie des
Schicksals ist, dass ein so intelligenter Mann – ausgerechnet ein Psychologe,
der sich mit geistigen Defekten auskennt – sich als grausamer Killer entpuppt.
Verzeihen Sie, wenn meine Bemerkung Sie verletzt oder gekränkt hat. Das wollte
ich nicht. Ich weiß, Sie haben persönlich gelitten, Miss Moran. Auch wenn es kein
großer Trost sein mag – ich bin sicher, dass das Leid, das Ihnen zugefügt
wurde, heute Abend zumindest zum Teil vergolten wird.«
    Clay schien es ehrlich zu meinen, doch als ich die Hand
zurückzog, hatte ich das Gefühl, als wäre er von seinen Worten selbst nicht
überzeugt. Plötzlich wurde die Tür hinter mir geöffnet, und ein uniformierter
Wärter trat ein. Clay erwiderte das Nicken des Mannes, erhob sich, zog die
Jalousien hoch und sagte zu mir: »Wir bringen Gemal jetzt herein. Noch etwas zu
Ihrer Beruhigung, Miss Moran. Sie und Gemal werden durch das Spiegelglas
beobachtet, und wir zeichnen das Gespräch auf. Ein halbes Dutzend bewaffneter
Wärter stehen bereit. Sie können sicher sein, dass er Ihnen nichts antun kann.
Das ist völlig ausgeschlossen.«

6.
    Der Direktor ging hinaus, und vier Wärter
führten Constantine Gemal in den Raum. Er trug einen orangefarbenen Gefängnisoverall,
und seine Hand- und Fußgelenke waren gefesselt. Mit rasselnden Eisenketten
setzte er sich und sah mir ins Gesicht. Als unsere Blicke sich trafen, stieg
Übelkeit in mir auf. Seine Augen waren bedrohliche schwarze Höhlen – kalt wie
Eis. Einer der Wärter musste mein Unbehagen bemerkt haben, denn er sagte leise:
»Alles in Ordnung, Miss Moran?«
    »Ja.«
    Gemal nahm seine Drahtgestellbrille ab und starrte mich an,
ohne ein Wort zu sagen, ohne sich zu bewegen. Ich wusste, dass es eine Art
Machtkampf war. Wer würde zuerst blinzeln, wer zuerst sprechen, wer das Spiel
verlieren? Wenn man Gemal begegnete, fiel einem als Erstes auf, dass er wie ein
ganz gewöhnlicher Mann aussah. Schlank, sauber rasiert, ungewöhnlich fit. Ich
hatte gehört, dass er sogar im Gefängnis joggte und meditierte. Eine hohe,
intelligente Stirn und ein unscheinbares Gesicht. In seiner Wohnung in
Alexandria hatten wir Beweise gefunden, dass er seine unauffälligen
Gesichtszüge sehr effektiv genutzt hatte. Er beging seine abscheulichen
Verbrechen stets in einfachen Verkleidungen, was dazu beitrug, dass er nicht
gefasst wurde. In seinem Schlafzimmer und seinem Ford-Geländewagen wurden eine
große Anzahl Perücken, Schnurrbärte und Haarfärbemittel gefunden; außerdem die
Uniform eines Postarbeiters, eine Armeeuniform, die Sutane eines Priesters, die
verschiedensten Brillen und getönte Kontaktlinsen, Schränke voller Kleidung und
Bühnen-Make-up verschiedenster Art.
    Gemal, der praktizierende Psychiater, sah überhaupt nicht gefährlich
aus – bis man seine Augen sah: dunkel, mörderisch, tief liegend. Augen, die
mich an Charles Manson erinnerten. Auf beide Unterarme waren schwarze
Schlangenköpfe mit roten Teufelshörnern tätowiert. Doch heute bedeckten die
Ärmel des orangefarbenen Overalls diese Tattoos.
    Die Wärter zogen sich zurück, und die Tür fiel ins Schloss.
Gemal sagte nichts, starrte mich nur an. Sein Blick wanderte über mein Gesicht,
meine Hände, meinen Körper, bis seine schmalen Lippen sich schließlich
bewegten. In einem Akzent, der vage an Osteuropa erinnerte, fragte er: »Wie ist
es Ihnen ergangen, Kate? Führen Sie ein schönes Leben?«
    Die Vertraulichkeit, die er herstellte, indem er mich mit
meinem Vornamen ansprach, ärgerte mich – was er zweifellos beabsichtigte –,
doch ich erwiderte nichts. Ich hatte während der Verhöre gelernt, dass er stets
mit einer Reihe provozierender Fragen begann. Wie erwartet, folgte kurz darauf
eine weitere: »Waren Sie schon mal bei einer Hinrichtung dabei?« Als ich
schwieg, fuhr er fort: »Ich nehme an, es wird eine angenehme Erfahrung für Sie
sein. Sie freuen sich bestimmt schon darauf, oder?«
    Ich versuchte, den spöttischen Tonfall zu überhören. »Was immer
Sie mir zu sagen haben, bringen Sie es schnell hinter sich.«
    »Sie wollten etwas anderes sagen, Kate.«
    »Und was?«
    »›Was immer du mir zu sagen hast, du Stück Scheiße.‹
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