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Der Judas-Code: Roman

Titel: Der Judas-Code: Roman
Autoren: James Rollins , Norbert Stöbe
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Nase, auf seinem Schoß lag ein aufgeschlagenes Buch über Meeresgeschichte. »Es wäre unhöflich, eine gut gebaute junge Frau, die sich überflüssiger Kleidungsstücke entledigt, nicht zu würdigen.«
    Susan befreite die Schultern aus dem Taucheranzug und ließ ihn bis zur Hüfte herabfallen. Darunter trug sie einen einteiligen Badeanzug. Aus Erfahrung wusste sie, dass Bikini-Oberteile dazu neigten, am Neopren festzukleben. Obwohl es sie nicht störte, von dem emeritierten Professor, der dreißig Jahre älter war als sie, beäugt zu werden, wollte sie ihm doch auch keine Gratisvorstellung bieten.
    Im Niedergang tauchte ihr Mann mit drei beschlagenen Flaschen Lagerbier auf, die er zwischen die Finger der einen Hand geklemmt hatte. Als er Susan sah, grinste er breit. »Ich dachte, du würdest noch da unten rumschwimmen.«
    Er kam an Deck und richtete sich auf. Bekleidet war er mit einer weißen Quicksilver-Badehose und offenem Hemd. Er arbeitete als Bootsmechaniker im Hafen von Darwin. Er und Susan hatten sich bei der Reparatur eines Bootes der Universität von Sydney im Trockendock kennengelernt. Das war jetzt acht Jahre her. Vor drei Tagen hatten sie auf der Yacht ihren fünften Hochzeitstag gefeiert, hundert Seemeilen vom Kiritimati-Atoll, besser bekannt unter dem Namen Weihnachtsinsel, entfernt.
    Er reichte ihr eine Flasche. »Haben die Schallmessungen schon was ergeben?«
    Sie trank einen großen Schluck Bier, denn sie war durstig. Den ganzen Nachmittag lang hatte sie am salzigen Mundstück gesaugt, und jetzt hatte sie Kleistergeschmack im Mund. »Bis jetzt noch nicht. Der Grund für die Strandungen liegt noch im Dunkeln.«
    Vor zehn Tagen waren achtzig Delfine der im Indischen Ozean heimischen Art Tursiops aduncus an der Küste von Java gestrandet. Susan erforschte die Langzeitfolgen von Störgeräuschen auf
das Orientierungsvermögen von Walen. Schon häufiger hatte Unterwasserlärm dazu geführt, dass die Tiere an den Strand geschwommen und dort verendet waren. Meistens hatte sie ein Team wissenschaftlicher Assistenten dabei, zusammengesetzt aus Studenten und Doktoranden, doch diesmal hatte sie mit ihrem alten Mentor einfach nur Urlaub machen wollen. Es war purer Zufall, dass es ausgerechnet in dieser Gegend zu einer Massenstrandung gekommen war - daher der verlängerte Aufenthalt.
    »Könnte es vielleicht eine andere Ursache geben als von Menschen gemachten Lärm?«, meinte Applegate nachdenklich, während er mit den Fingerspitzen Kreise auf die beschlagene Bierflasche malte. »Hier kommt es immer wieder zu kleinen Seebeben. Vielleicht hat ja ein Meeresbeben genau den Ton getroffen, der sie in den Selbstmord getrieben hat.«
    »Vielleicht war das starke Erdbeben vor ein paar Monaten der Auslöser«, sagte ihr Ehemann. Er ließ sich neben dem Professor auf einer Bank nieder und klopfte auffordernd auf den Platz an seiner Seite. »Oder ein Nachbeben.«
    Susan wusste diesen Erklärungsversuchen nichts entgegenzusetzen. Durch die todbringenden Beben und den großen Tsunami, die sich in den vergangenen zwei Jahren in diesem Gebiet ereignet hatten, war der Meeresgrund stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Das allein reichte als Erklärung vielleicht schon aus. Überzeugt davon war sie freilich nicht. Sie glaubte, dass es noch andere Ursachen gab. Das Riff war wie ausgestorben. Die wenigen Tiere, die dort unten noch lebten, hatten sich in Felsnischen, Muscheln und Sandlöcher zurückgezogen. Die Meeresbewohner hielten sozusagen den Atem an.
    Vielleicht reagierten die empfindlichen Lebewesen ja tatsächlich auf Mikrobeben.
    Stirnrunzelnd nahm sie neben ihrem Mann Platz. Sie würde die Weihnachtsinsel anfunken und sich erkundigen, ob ungewöhnliche seismische Aktivitäten festgestellt worden waren. Zunächst aber hatte sie Neuigkeiten zu vermelden, die ihren Mann mit Sicherheit ins Wasser bringen würden.
    »Sieht so aus, als hätte ich die Überreste eines alten Schiffswracks entdeckt.«

    »Ist ja toll.« Er straffte sich. In Darwin hatte Gregg hin und wieder Tauchgänge zu Kriegsschiffen aus dem Zweiten Weltkrieg angeboten, die vor der Nordküste Australiens gesunken waren. Für solche Entdeckungen konnte er sich begeistern. »Wo?«
    Sie zeigte auf die andere Seite der Yacht. »Etwa hundert Meter steuerbord. Da ragen ein paar geschwärzte Balken aus dem Sand. Wurden vermutlich entweder beim letzten Seebeben freigelegt, oder der Tsunami hat den Schlick weggespült. Ich hatte nicht viel Zeit für die Erkundung.
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