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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs
Autoren: Helge Timmerberg
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Damenunterwäschegeschäfts. Noch mal: Es waren die fünfziger Jahre. Was die damals unterm Kleid trugen, man faßt es nicht. Ich bekam eine Menge zu sehen, so allein. Ich vermißte die Gesellschaft nicht. Und was Hänschen nicht vermißt, fehlt ihm auch als Hans nicht sonderlich. Daran scheiterten bisher alle Beziehungen.
    Was ist eine Beziehung? Vielleicht ist diese Frage einfacher zu beantworten als die Frage, was Liebe ist. Kommt Beziehung von zusammen-ziehen? Oder von Bett-beziehen? Oder von er-ziehen? Wann man den Abwasch macht. Wie laut der Fernseher sein darf. Und wie laut die Musik. Sehen Frauen wirklich in ihren Männern immer nur den Mann, der er sein könnte? Wenn er doch endlich erwachsen würde! Sobald es ans Zusammenziehen ging, begann für mich der Ernst des Lebens, und der Spaß war dahin. Es dauerte in der Regel vier, fünf Jahre, bevor ich kurz mal Zigaretten holen mußte, an einem Kiosk am anderen Ende der Welt.
    Diese fünf Jahre sind um. Und wir sind trotzdem noch zusammen. Warum? Weil ich inzwischen ein Meister im Beziehungen-auseinander-ziehen bin. Es blieb nicht beim eigenen Bett, beim eigenen Raum, bei der eigenen Wohnung. Es lief auf eine eigene Stadt hinaus. Ich wohne in Zürich, sie in Berlin, und das geht, seitdem es auch auf dieser Route Billigflieger gibt. Mit Lufthansa-Tarifen wäre unsere Liebe längst kaputt. Fernbeziehung ist das ideale Konzept für mich. Man kann es auch Teilzeitsingle nennen, was eigentlich dasselbe ist. Von beiden Existenzformen wird nur das Beste herausgepickt. Ich bin hundertprozentig bei ihr, wenn ich bei ihr bin, und hundertprozentig bei mir, wenn ich alleine bin. Das ist kein fauler Kompromiß. Im Gegenteil, es hält die Liebe ziemlich frisch. Ebenso das Bruttosozialprodukt. Air Berlin könnte von meinen Be- und Entziehungsflügen seine Flotte erweitern. Und tut das wohl auch schon. Und wie geht es meiner Freundin damit?
    Am Anfang sah es wie eine Vergewaltigung ihrer Bedürfnisse aus. Aber aller Anfang ist schwer. Inzwischen hat sich einiges getan. Sie ist auf den Geschmack gekommen. Im Alter von fünfunddreißig Jahren hat sie herausgefunden, daß auch sie gern diagonal, schräg, quer und mit ausgebreiteten Armen schläft. Sie wirft mich glatt aus dem Bett, wenn ich nicht von mir aus gehe. Und das ist der Trick. Wir liegen zusammen drin, bevor wir einschlafen. Und legen uns wieder rein, wenn wir aufgewacht sind. Zum Kuscheln, zum Reden, für Sex. Nur wenn ich schlafen will, gehe ich in mein eigenes Bett. In mein eigenes Zimmer.
    Auch da hat sich viel getan. Anfangs kam sie rein, wann immer ihr der Sinn danach stand. Ohne zu klopfen, ohne zu fragen, einfach so. Das geht natürlich nicht. Bei niemandem. Und bei mir schon gar nicht. Weil ich ein Schreiber bin. Manche kennen vielleicht den Film «Besser geht’s nicht». In dem Jack Nicholson einen Schriftsteller spielt. Sobald es auch nur an der Tür klopft, verliert er den Faden. Und wenn jemand reinkommt, verliert er gleich den ganzen Tag. Es brauchte einige Zeit, bis sie das begriff. Dann brauchte es noch mal einige Zeit, bis sie verstand, daß Schreiber auch arbeiten, wenn sie gerade nicht schreiben. Wenn sie Löcher in die Tapete gucken oder im Kreis laufen. Wir hatten endlose Diskussionen darüber.
    Glücklicherweise gab es Vorbilder. Georges Simenon zum Beispiel, den Schöpfer von Kommissar Maigret. Solange er einen Roman schrieb, stellte ihm seine Frau das Essen vor die Tür, er stellte die leeren Teller zurück. Das war alles an eheinterner Kommunikation, wenn er schrieb. Allerdings schrieb er sehr schnell. Ein Buch in einer Woche. So schnell bin ich nicht. Auch nicht so erfolgreich. Ich habe kein Schloß wie der große Belgier. Aber ich habe ein Haus in Marrakesch. Dort probierte ich folgendes: Dank der niedrigen Löhne konnte ich mir eine Arbeitszimmerwache leisten. Ich bezahlte einen (befreundeten) Marokkaner dafür, daß er vor meinem Schreibstudio stand und niemanden, ich betone: niemanden, hineinließ, solange ich mich darin befand. Aus Jux und Dollerei kaufte er sich für diesen Job im Basar ein traditionelles Kriegerkostüm sowie einen Kindersäbel aus Plastik. Es hat tatsächlich funktioniert. Meine Freundin ist an ihm jedesmal gescheitert.
    Auch das ist Vergangenheit. Sie akzeptiert inzwischen eine geschlossene Tür wie ein Naturgesetz. Warum auch nicht? Warum sollte man sich in intimen Beziehungen unhöflicher als in nichtintimen benehmen? Ich habe es ihr an dem Beispiel Wohngemeinschaft
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