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Der Jäger

Der Jäger

Titel: Der Jäger
Autoren: Andreas Franz
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Schließlich sagte er: »Von Al-Anon.«
    »Woher?«, fragte die Kommissarin, die Stirn in Falten gezogen.
    »Al-Anon. Das ist … das ist … Sie kennen doch die Anonymen Alkoholiker, oder? Al-Anon ist für die Angehörigen von Alkoholikern. Sie haben sich mindestens einmal in der Woche getroffen. Meist freitags.«
    »Ich möchte nicht indiskret erscheinen, aber ist Ihre Frau Ihretwegen …?«
    »Nein, wegen ihres Vaters«, antwortete er schnell. »Ich habe eigentlich nie getrunken, höchstens bei Festen mal ein Glas Wein, aber sie war durch ihren Vater geschädigt. Er hat nicht nur einen Großteil ihres Lebens bestimmt und zerstört, er hat auch ihre Mutter zu einem Wrack gemacht. Und dass ich heute Nacht getrunken habe, können Sie sicherlich verstehen. Ihr Vater hat bis zu seinem Tod gesoffen. Dreißig Jahre Saufen haben ihn schließlich umgebracht. Was Besseres hätte ihm und ihr nicht passieren können. Das ist jetzt ein gutes Jahr her. Sie hat die Gruppe schon jahrelang besucht, als wir noch nicht verheiratet waren, und ich hatte nichts dagegen, dass sie auch nach unserer Hochzeit weiter dorthin gegangen ist. Ich denke, es war gut für sie.«
    »Wissen Frau Schwab und Frau Sperling schon von dem Tod Ihrer Frau?«
    »Nein. Sie haben vorgestern und gestern Nachmittag hier angerufen und sich nach ihr erkundigt. Das ist alles. Sie haben sehr besorgt geklungen. Ich habe sie gefragt, was am Freitag war, aber sie sagten, es sei alles so gewesen wie sonst auch. Erst die Gruppe, dann das so genannte Nachmeeting. Sie sind immer zu einem Italiener oder Griechen gegangen.«
    »Und war dreiundzwanzig Uhr in der Regel die Zeit, zu der Ihre Frau nach Hause gekommen ist?«
    »Elf, manchmal halb zwölf, und wenn sie besonders viel Spaß hatten, konnte es durchaus auch Mitternacht werden. Deswegen habe ich mir, als sie um elf noch nicht da war, weiter keine Gedanken gemacht. In der Gruppe war sie gut aufgehoben.«
    »Gab es in letzter Zeit irgendwelche merkwürdigen Ereignisse, die Sie nicht einordnen können? Seltsame Anrufe, Drohungen oder Ähnliches?«
    »Nein.«
    »Und Ihre Frau, war sie in den letzten Tagen oder Wochen in irgendeiner Weise verändert? Ich meine, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber hatten Sie vielleicht das Gefühl, dass Ihre Frau …«
    Müller blickte Durant ernst und forschend an. Mit einem Mal wurde er kühl und abweisend. »Ich weiß genau, worauf Sie hinauswollen. Vergessen Sie’s! Wir haben uns geliebt, und sie hatte keinen Grund, sich einen anderen Mann zu suchen. Sie können jeden fragen. Es gab außer mir keinen anderen Mann in ihrem Leben.«
    »Wie lange sind Sie verheiratet?«
    »Acht Jahre. Wir kennen uns aber schon seit mehr als zehn Jahren. Ich war übrigens der erste Mann in ihrem Leben, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Er stockte, drückte die Zigarette aus und zündete sich gleich eine neue an. »Ich weiß nicht, was jetztwerden soll. Es ist alles wie ein Albtraum, wie ein tiefes schwarzes Loch. Irgendjemand hat sie umgebracht, irgendjemand hat zwei kleinen Kindern die Mutter geraubt, irgendein Dreckschwein hat uns allen unser Leben genommen.« Er hielt erneut inne, blickte zu Boden, nahm einen tiefen Zug an seiner Zigarette, blies den Rauch durch die Nase aus. »Würden Sie mir eine Frage beantworten?«
    Durant und Hellmer nickten.
    »Hat man sie, ich meine, wurde sie vergewaltigt?«
    »Nein. Ihre Frau war vollständig bekleidet, als sie gefunden wurde. Es gibt keine Hinweise auf sexuellen Missbrauch.« Julia Durant vermied bewusst, ihm zu erzählen, dass eine Nadel durch ihre Schamlippen gestochen worden war und es vor einem Jahr schon einmal zwei gleich geartete Morde gegeben hatte. Und sie hatte auch nicht vor, es ihm jemals zu sagen.
    »Dann also doch wegen des Autos. Heutzutage tötet man wegen allem. Wegen ein paar Mark, einer Jacke, einem falschen Wort oder einem Auto. Die Großen und Reichen machen es vor, indem sie gierig immer mehr und immer mehr Geld anhäufen, wobei es ihnen scheißegal ist, ob sie dabei über Leichen gehen, und diejenigen, die nur wenig haben, holen sich mit Gewalt, was sie auf rechtmäßige Weise nie bekommen würden. Das ist unsere verrottete Gesellschaft. Die Mächtigen machen es vor, die Kleinen machen es nach. Und das alles wegen eines verdammten Autos.«
    »Werden Sie klarkommen?«, fragte Hellmer nach einer Weile und nachdem auch er sich eine Zigarette angesteckt hatte.
    Müller lachte kurz und trocken auf. »Klarkommen? Mein Gott, ich weiß
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