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Der indiskrete Roboter

Der indiskrete Roboter

Titel: Der indiskrete Roboter
Autoren: Gerhard Branstner
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nirgends zu sehen.«
    »Wo Fredy nicht ist, da ist auch Oskar nicht«, entgegnete Boris, »die beiden sind doch unzertrennlich.«
    Eben da kam Fredy herein, aber ohne Oskar, nahm den Daumen aus dem Mund und fragte: »Hat von euch einer die Spritzpistole gehabt? Im Geräteschuppen ist sie nicht zu finden.«
    »Du bist neuerdings auch nirgends zu finden.« Sara blickte auf Fredys Daumen.
    »Ich baue für Gustav ein Geburtstagsgeschenk.«
    »Vergiß nicht, die Unterlagen vom Energieposten abzuholen.«

    »Wann genau soll der Leuchtturm in Betrieb genommen werden?«
    »Punkt 16 Uhr«, sagte Boris.
    »Bis dahin habe ich die Unterlagen dreimal abgeholt.«
    »Einmal genügt«, meinte Sara.
    »Immer diese Ironie«, gab Fredy zurück. Er war unerschütterlich davon überzeugt, daß Frauen nicht ironisch sein dürfen und schon gar nicht solch eine ausgemachte Schönheit wie Sara. Irgendwie paßte das nicht zusammen. Der schmerzende Daumen brachte Fredy jedoch bald wieder zu sich selbst, und er ging in den Nebenraum der Station, der als Behelfsküche diente und in dem sich auch der Verbandskasten befand.
    Boris registrierte neuerlich einlaufende Daten und wandte sich Sara zu.
    »Sieh dir nur diesen Aufwand an! Und das alles für ein unsinniges Unternehmen. Optische Anflugzeichen taugen nun einmal nicht für den Orbit.«
    »Der Leuchtturm ist doch nur ein Versuch«, entgegnete Sara, »alle Lotsenstationen bleiben weiterhin in voller Funktion.«
    Boris ließ sich nicht besänftigen. »Und wenn es kein Versuch mehr ist, wenn Dutzende dieser Dinger im Orbit und was weiß ich wo installiert sind, was dann?«
    Sara hob die Schultern. »Was willst du? Der Fortschritt macht auch vor unserem Beruf nicht halt.«
    »Fortschritt!« rief Boris aufgebracht. »Ist das vielleicht ein Fortschritt, wenn einer, der jahrelang im Kosmos war und endlich heimkehrt, nicht von uns, von lebendigen Menschen, sondern von blinzelnden Automaten zur Erde geleitet wird?“
    »Vielleicht denken die künftigen Raumfahrer anders darüber?«
    »Da könnten sie mir nur leid tun!«
    »Mir auch«, gestand Sara.
    Boris mußte lachen. „Warum sagst du das nicht gleich!«
    »Sie war im Küchenbüfett!« rief Fredy, der auf der Suche nach einem Pflaster für den Daumen die Spritzpistole gefunden hatte.
    »Und wo ist Oskar?« fragte Sara.
    »Den habe ich zum Teufel geschickt.«
    »Wenn er zurück ist, schick ihn zu Gustav«, sagte Sara, »da kann er sich nützlich machen.«
     
    Der Roboter ging indessen eigene Wege. Er spazierte auf einer beiderseits von Pflaumenbäumen gesäumten Chaussee entlang und pfiff die Müllerslust. Hin und wieder äugte er interessiert zu den in geringer Höhe dahinfliegenden Luftmobilen hinauf. Die meisten von ihnen waren ein- oder zweisitzige Minizeppeline mit pedalgetriebenem Propeller, weshalb sie allgemein Fliegende Fahrräder genannt wurden. Oskar hatte in seinem Leben schon viele Flugmobile gesehen, aber so schön bunt wie heute waren sie ihm noch niemals erschienen. Vielleicht lag das aber auch nur an dem herrlichen Wetter, das alle Farben besonders frisch hervortreten ließ. Der Roboter richtete, weiterhin die Müllerslust pfeifend, sein Augenmerk jetzt auf eine ihm entgegenkommende Reihe von Rollschuhfahrern, offenbar eine vielköpfige Familie, die der schöne Sommertag zu einem Ausflug verlockt hatte. Vom Großvater angeführt, glitt die gesamte Nachkommenschaft wie an der Schnur gezogen vorüber, wobei einer nach dem anderen den Kopf zu Oskar wandte und dessen Lied aufnahm, so daß jetzt alle, die Müllerslust pfeifend, dahinrollten.
    Fredy hingegen hatte keinen Anlaß, ein fröhliches Lied zu pfeifen, denn die Spritzpistole streikte. Und das ausgerechnet jetzt, wo er mit dem Anstrich fast fertig war. Der Junglotse besah sein Werk, fand die grüne Farbe sehr passend und griff wieder nach der Spritzpistole. Er mühte sich, den verklemmten Auslöser zu bewegen, guckte kopfschüttelnd in die Düse und drückte wieder auf den Auslöser. Und diesmal funktionierte er. Fredy fuhr zurück, aber es war zu spät. Wütend warf er die Spritzpistole auf den Steg und rief nach Oskar.
     
    Der Roboter hatte die Chaussee verlassen und wanderte einen Wiesenweg entlang. Inmitten des Weges saß ein Kind und spielte selbstvergessen im Sand. Oskar blieb stehen und schaute dem vielleicht fünfjährigen Mädchen eine Weile schweigend zu. Das Kind schien den Roboter nicht zu bemerken, doch plötzlich fragte es unvermittelt:
    »Spielst du mit?«
    »Wie
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